Quelle:
http://www.tt.com/csp/cms/sites/tt/Nachr...rtners-lust.csp
Das Barfußwandern ist des bayerischen Gärtners Lust
Barfuß zu gehen, ist für Wolfram von Oy die einzig vernünftige Art der Fortbewegung. Er wandert seit 30 Jahren bei jedem Wetter und zu jeder Jahreszeit ohne Schuhe.

Von Stefanie Kammerlander
Kufstein – „Ich glaub', ich hab' was an den Augen!“ „Hast du auch gesehen, was ich gesehen habe?“ – Solche Reaktionen von Wanderern sind für Wolfram von Oy die Begleitmusik in den Bergen. Er marschiert barfuß und blitzschnell. „Leute, die ich überhole, registriere ich zwar, aber ich seh' sie nicht“, erzählt der 53-jährige Bayer über seine Art des Wanderns. Er muss auf den Weg achten, „und schnell schauen, ob keine Glasscherben oder Ähnliches herumliegen.“
Im Kaisergebirge lernte der junge Wolfram von Oy, dass Willenskraft Berge versetzen kann. Weil er als Kind unter schwerem Asthma litt, versuchten seine Eltern eine neue „Therapieform“. Sie pachteten eine Almhütte im Kaisergebirge und erschlossen dem geplagten Kind die Schönheit der Berge. Schritt für Schritt tastete sich der schwächliche Bub an seine Grenzen heran. „Die waren anfangs schnell erreicht“, erzählt der Barfußfreund. Nach wenigen hundert Metern rang er als Achtjähriger nach Luft. Mit 17 Jahren war er beschwerdefrei.
Die Liebe brachte den Gärtner zum Barfußlaufen. Was für seine italienische Freundin selbstverständlich war, lernte Wolfram von Oy mit Schmerzen und Blutblasen. „Trotzdem habe ich sofort gewusst, dass das mein Sport ist“, erzählt von Oy. Rund 30 Mal pro Jahr ist Wolfram von Oy im Kaisergebirge unterwegs. Die Bergwelt rund um Berchtesgaden kennt er wie seine Westentasche. An die Tour am Similaungletscher erinnert er sich gerne, und den Großglockner bezwang Oy beinahe. „An dem Tag waren einfach zu viele Leute unterwegs“, erzählt der Bergfex. Er konnte die notwendige Konzentration nicht aufrechterhalten und musste die Tour abbrechen.
Mental stimmt sich der Bayer mit einer speziellen Methode ein. „Eine Mischung aus vielem mit Tai-Chi-Elementen“, erklärt von Oy. Er hat sich aus seinen 6000 Sachbüchern seinen Konzentrationsmix gebraut. Oy stellt sich im Geist eine Geschichte vor, sieht einen Weg, hört auf seine Atmung und spricht mit „dem Meister“. Negative Schwingungen werden ausgeklinkt, das Schmerzempfinden reduziert.
Seine Haut an den Fußsohlen ist übrigens sehr dünn, weil der Fuß durch Reibung und Nässe eine Art Peeling erhält. Und ohne Konzentrationsritual spürt von Oy das kleinste Steinchen. Wenn er mit einem seiner drei Kinder in den Bergen ist, dann geht er rückwärts. Um auch andere Muskelgruppen zu trainieren. „Und meistens bin ich dann auch noch schneller unterwegs“, erzählt der Bergphilosoph.
Tiroler Tageszeitung, Printausgabe vom So, 16.05.2010