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Dieses Thema hat 1 Antworten
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 Reiseberichte
Michael aus Zofingen Offline



Beiträge: 730
Punkte: 384

05.10.2014 10:28
Velotour über Wasserscheiden Zitat · Antworten

Nach einem verregneten Sonntag (und einer instabilen Wetterlage in der Woche davor) war es am Montag, den 22.9.2014 wieder sonnig, so daß ich eine 3tägige Velotour starten konnte. Morgens war es gerade so „warm“, daß ich im blauen Träger-T-Shirt (ohne Kragen) losradeln konnte, eine Jacke nahm ich jedoch mit, da ich mit kalten Temperaturen im Jura rechnete. Schuhe nahm ich nicht mehr, da ich diese nicht gebrauchen würde. Ebenso verzichtete ich auf die Mitnahme einer langen Hose, eine kurze Hose (ohne Gürtel) reichte vollends. Ebenso hatte ich einen Schlafsack dabei.

Zuerst radelte ich über den Hauensteinpaß nach Basel, eigentlich eine Routinestrecke. Ab und zu stellte jemand die berühmt-berüchtigte K-Frage, sonst nichts. Zwar war niemand barfuß im Raum Basel (an der Münsterfähre kam ich nicht vorbei), jedoch trugen etliche Jogger und Velofahrer kurze (eigentlich unlange) Sporthosen. Aber auch in der Stadt trugen einige Männer unterschiedlichen Alters noch keine langen Hosen (aber auch keine wirklich kurzen), die jüngeren fast immer in Kombination mit geschlossenen Schuhen und Socken, die älteren ab und zu auch Sandalen ohne Socken. Bluttbeinige Frauen waren bei diesen Temperaturen seltener, zum Ausgleich trugen viele aber noch Flipflops, Sandalen oder Ballerinas. Die Kinder waren eher noch winterlicher gekleidet als die Erwachsenen. Über einen längeren Bereich radelte ich entlang von Straßenbahnstrecken, erst war es die Linie 14, dann die Linie 11 neben einigen anderen im Innenstadtbereich.

Ich überquerte die Grenze nach Frankreich und radelte die Strecke Hüningen-Mülhausen weitgehend am Ufer von Kanälen entlang und somit abseits vom 4rad-Verkehr. Während zwischen Hüningen und Niffer der Kanal Sportbooten vorbehalten war, konnten zwischen Niffer und Mülhausen (und darüber hinaus) auch „richtige“ Schiffe verkehren. Immerhin wurden hier vor der Einführung schienengebundener Offtopic-Fahrzeuge die Güter zwischen Rhein und Rotten (und somit zwischen Nordsee und Mittelmeer) transportiert. Parallel zum Kanal verläuft oft ein Veloweg, aber nicht überall.

In Mülhausen war ich auch nicht zum ersten Mal. Manche mögen sich noch an einige unangenehme Ereignisse erinnern, die ich im Forum erwähnte. In dieser Stadt wollte ich auch nicht lange verweilen, aber den Hauptbahnhof suchte ich trotzdem auf, wo ab dem Bahnhofsvorplatz gelbe Trams und blaue Tramtrains verkehren (letztere waren gerade nicht zu sehen). Was die Verteilung zwischen Personen in „Winterkleidung“ und in „Sommerkleidung“ anbelangt, so konnte ich keinen signifikanten Unterschied zwischen Basel und Mülhausen feststellen.

Der Kanal (mit Radweg) führt direkt am Hauptbahnhof von Mülhausen vorbei, so daß es nicht schwer war, den Weg aus der Stadt zu finden. In Frankreich wurde ich übrigens nur einmal angesprochen, und zwar noch auf Mülhausener Stadtgebiet von einem Radfahrer, erst in gebrochenem Französisch, und als ich nichts verstand auf hochdeutsch, wohin meine Reise führen sollte. Ich sagte es ihm und er sagte, er käme aus Deutschland und wäre auf dem Weg zum Mittelmeer. Er hatte deutlich weniger Gepäck dabei als ich, vermutlich wollte er in festen Unterkünften übernachten. Meine Barfüßigkeit war kein Thema. Was mir auffiel: Er war der letzte Mann auf französischem Gebiet, der eine knielange Sporthose trug. Alle weiteren Jogger und Velofahrer in kurzen Sporthosen trugen Hosen, die maximal bis Mitte Oberschenkel gingen. Eine neue Modewelle, die auf uns zukommt? Oder Reste einer bei uns vergangenen Modewelle. Paris ist zwar modemäßig eher „fortschrittlicher“ als Schweizer Großstädte, andererseits hinkt die französische Provinz der Hauptstadt deutlich mehr hinterher als es in der Schweiz der Fall ist. Und die Entfernung zwischen Paris und dem französischen Jura ist größer als sie zwischen zwei Schweizer Orten überhaupt möglich sein kann.

Ich folgte weiter dem Kanal Richtung Dammerkirch. Der Kanal hat etliche Schleusen, denn er führt über eine Wasserscheide. Dann ging es wieder abwärts. Auf französischem Gebiet sah ich hier den einzigen Menschen ohne Schuhe: es handelte sich um eine Frau auf einem Hausboot. In Mümpelgard erreicht der Kanal den Fluß Dub. Für einen ausgedehnten Stadtbummel hatte ich keine Lust, da viel Verkehr herrschte. Offensichtlich ist das Klima in Mümpelgard wegen der Nähe zum Jura generell etwas rauher als in Basel oder Mülhausen. In der Stadt waren generell mehr „winterlich“ gekleidetete Personen (Jacken, bedeckungsreiche Beinbekleidung), jedoch war der Anteil an Frauen (und Mädchen) in offenen Schuhen vergleichsweise hoch.

Hinter Mümpelgard verläuft der Schifffahrtsweg streckenweise durch den kurvenreichen Dub selbst, streckenweise durch einen separaten Kanal. Der Veloweg führt teilweise am Kanalufer, teilweise am Flußufer und teilweise auch über normale Straßen weiter. Zwischen L’Isle und Clerval endete meine 1. Tagesetappe. Nach Verschwinden der Sonne kühlte es sehr schnell ab, so daß ich froh war, eine Jacke dabei zu haben. Ich übernachtete im Schlafsack auf einer Insel zwischen Fluß und Schleusenkanal, abseits von jeglichem 4radverkehr. Das Geräusch des „Wasserfalls“ war zwar beruhigend, aber ruhig schlafen konnte ich nicht. Und was mir noch auffiel: Den ganzen Tag über gelang es mir nicht, normale Mengen zu essen oder zu trinken, immer schnürte es mir die Kehle zu.

Am 2. Tag radelte ich weiter entlang des Flusses über Baume-les-Dames nach Bisanz. In dieser Großstadt war ich am 25.9. 2010 schon mal, allerdings nicht mit dem Velo, sondern barfuß und bekurzhost mit dem Zug (im Rahmen eines Eisenbahnjubiläums der Bahnen im Neuenburger Raum, damals kam ich von Le Locle angereist). Daher bekam ich damals auch nicht mit, daß der Schifffahrtskanal (und der Veloweg) durch den Felsen, auf dem die Zitadelle thront, durchführt. Was ich damals nicht wußte, nicht einmal ahnte: Auch diese Stadt sollte offtopic-fahrzeugmäßig aufgewertet werden, und seit Ende August 2014 war der Schritt vollzogen (und für mich ein Grund, mit dem Velo ausgerechnet in diese Stadt zu fahren). Zwei Tramlinien führen nun durch die Stadt. Ich folgte zuerst der Linie 2, die vom „Hauptbahnhof“ rund um die historische Altstadt (nicht durch die engen Gassen) führt, über breite Plätze der Innenstadt, viermal über Brücken den Dub überquerend und dann weiter in den Westen der Stadt, oft über Rasengleise. An der Endstation endet auch die Linie 1, die lange Zeit auf derselben Strecke verläuft wie die 2, jedoch nicht am Bahnhof endet, sondern im Osten der Stadt. Den Westast begleitete ich bis zum Ende mit dem Velo, den Ostast nicht ganz, da er in die falsche Richtung führte und ich noch einen anstrengenden Weg vor mir hatte.

Was mir in Bisanz auffiel: Wie in Mülhausen (und anders als in Schweizer Städten) sind im Innenstadtbereich viele Tramgleise auf einem rauhen Untergrund verlegt, nicht unbedingt das, was man sich als Barfüßer wünscht. Das dürfte jedoch nicht der Grund sein, daß mir in dieser Stadt keine Leute ohne Schuhe begegneten. Der Anteil an männlichen Kurze-Hosen-Trägern war hier niedriger als in Basel oder Mülhausen, wobei ich keine Männer in richtig kurzen Nicht-Sporthosen sah, nur in unlangen. Frauen trugen meistens lange Hose, aber etliche waren auch in kurzen Sommerröcken in der Stadt, in der es ca. 18°C war. Auch begegneten mir bemützte Polizisten, die sich jedoch weder an meinen Nichtschuhen, noch an meiner kurzen Hose störten.

Die folgende Velostrecke war anspruchsvoller wegen der Steigungen. Der Weg führte mich über Saône (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Fluß, in den der Dub mündet und der seinerseits in Lyon in den Rotten fließt), Mamirolle, Nods bis hinter Aubonne. Teilweise fuhr ich innerorts, teilweise über Feldwege, teilweise aber auch über Hauptverkehrsstraßen, was in Frankreich weniger angenehm ist. Auch an diesem Tag kühlte es nach Untergang der Sonne schnell ab. Ich übernachtete im Schlafsack in einem Wald.

Am 3. Tag radelte ich zuerst bis Pontarlier, das ebenfalls am Dub liegt, der hier jedoch wesentlich schmäler ist als in Bisanz. Unterwegs stieß ich auf einen zum Veloweg umgewidmeten Bahndamm der ehemaligen Verbindung Pontarlier-Morteau, leider nicht meine Richtung. Von Pontarlier fuhr ich durch eine Klus ins Traverstal, durch das auch eine Bahnlinie führt, leider ohne regulären Bahnverkehr (beim Bahnjubiläum tat ich es mit rauchenden Offtopic-Fahrzeugen). So überquerte ich die Schweizer Grenze. Nach weiterer Fahrt mußten Velos von der normalen Straße runter, und in steiler Fahrt ging es nach St. Sulphice, wo eine noch heute im Regeverkehr betriebene Stichbahn endet. Über Fleurier ging es bis Norraigne. Erst jetzt war es so warm, daß ich ohne Jacke weiterfahren konnte. Ich wählte den Veloweg durch die Areuseschlucht nach Boudry. Ich merkte, daß ich in der Schweiz war und nicht mehr in Frankreich, obwohl auch hier französisch gesprochen wurde: Sportler trugen wieder unlange Sporthosen! Und auch unter Schulkindern war der Anteil an solchen in unlangen statt langen Hosen wieder höher.

Jetzt befand ich mich wieder auf Routineterrain. Von Boudry fuhr ich weitestgehend parallel zur Littorail nach Neuenburg, wo ich beim Place Pury (Endstation dieser Tramlinie) am Seeufer eine Pause machte. Erstmalig während der Tour konnte ich wieder was essen und trinken, ohne daß ich mich quälen mußte. Weiter ging es über Biel, Solothurn und Wangen/Aare nach Hause. Dabei kam ich auch durch Twann durch, wo ich vom Veloweg am Ufer des Bieler Sees in den Ortskern fuhr. Mich interessierte, wo der „Twanner Hof“ war, wo für zwei Tage später ein Fischessen mit Arbeitskollegen im Rahmen eines Abteilungsausflugs (Jurawanderung) vorgesehen war. Ein gediegenes Gebäude, sicher kehren dort häufiger Wanderer und Schiffsreisende ein, so daß es dort wohl egal sein sollte, ob man dort barfuß oder fett beschuht, belanghost oder bekurzhost usw. erscheint. Lediglich ein „zweizehiges“ Auftauchen dürfte wohl unerwünscht sein – glaubte ich.

Und tatsächlich sah ich in der Schweiz auch wieder Barfüßer: Auf Neuenburger Gebiet liefen zwei Kinder ohne Schuhe (aber in langen Hosen und mit fetten Wollpullovern) von einer Restaurantterrasse zum Spielplatz. Am Bieler See stand eine ältere Frau mit den Füßen im Wasser, ansonsten trug sie aber eher winterliche Kleidung (und keine Schuhe in der Hand). Und mitten in der Solothurner Innenstadt ging ein ca. 30jähriger langhaariger Mann barfuß und mit bedeckungsreicher „Hippykleidung“ mit seinem Hund spazieren. Mit dem Wetter hatte ich wirklich Glück: Hinter Neuenburg schien die Sonne nur noch milchig durch die Wolken, ab Murgenthal wurden die Wolken immer dicker, und ca. 30 Minuten nach meiner Ankunft zu Hause fing es an zu regnen.

Schöne Grüße
Michael aus Zofingen


Markus U. Offline




Beiträge: 1.958
Punkte: 794

14.10.2014 23:33
#2 RE: Velotour über Wasserscheiden Zitat · Antworten

Hi Michael,

das ist ein sehr gut geschriebener, runder, ausführlicher Bericht, der keine Fragen offen läßt, keinen Anlaß zur Kritik bietet und einfach nur schön ist!

Barfüßige Herbstgrüße,
Markus U.


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