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Hobby-Barfuß-Renaissance-Forum

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Dieses Thema hat 4 Antworten
und wurde 440 mal aufgerufen
 Barfuß und Leben
Michael aus Zofingen Offline



Beiträge: 747
Punkte: 418

11.12.2017 05:24
Basler Weihnachtsmarkt und Rückkehr nach Zofingen Zitat · Antworten

Hallo,

am 9.12.2017 war ich kostenlos mit der Basler Tramlinie 3 anläßlich der Verlängerung in die französische Nachbarstadt Saint-Louis (deutsch: St. Ludwig) gefahren, und zwar barfuß und in kurzen Hosen und nicht ganz ohne (technische, nicht kleidungsbedingte) Störungen. Nachdem ich am Barfüßerplatz den 3er verließ, hatte ich noch ca. 45 Minuten Zeit bis zur Abfahrt des nächsten Zuges nach Zofingen (ohne Umsteigen).
Gleich am Barfüßerplatz und vor der Barfüßerkirche (die keine Kirche mehr ist, sondern ein Museum) war Weihnachtsmarkt. Ich schritt über den Markt, jedoch wimmelte es nur so von Menschen. In solchen Menschenmassen fühle ich mich nicht wohl, nicht wegen allfälliger plattgetretener Zehen oder wegen möglicher Erfrierungen, weil ein ausreichend schnelles Vorankommen nicht möglich ist, sondern wegen vermohrter Klamotten durch Ketchup, Glühwein usw. Als ich mich da durchgewürgt hatte, vernahm ich eine Männerstimme: „Da ist derjenige, nach dem dieser Platz benannt wurde.“

Ich ging durch die Altstadt hinauf zum Münsterplatz, wo ebenfalls Weihnachtsmarkt war. Aber auch hier war es voll. Also ging ich hinunter in Richtung Mittlere Brücke. Hier war weniger los. Nachdem ich eine Familie überholt hatte, hörte ich eine Mädchenstimme (auf Hochdeutsch): „Der Mann ist barfuß! Das ist doch verboten. Nur Kinder dürfen barfuß laufen!“ Wo hat die dumme Göre denn diesen Seich aufgeschnappt?

Ich ging darauf noch durch einige Altstadtgassen, um rechtzeitig bis zur Abfahrt meines Zuges an Bahnhof SBB zu sein. Auf der Pasarelle überholte ich einen Mann, der so ging, als ob er ein steifes Bein hatte. Nur nebenbei bekam ich mit, daß der Mann in Sandalen unterwegs war. Mehr im Blick hatte ich die Zugangstreppen zu den Gleisen. Als ich bei der richtigen Treppe angekommen war, ging ich barfuß hinunter und kam bei der ersten Klasse an. Also ging ich in Richtung Zugende, stieg in den ersten Wagen der 2. Klasse ein und ging im Zug noch weiter nach hinten. Dort waren noch mehr Sitzplätze frei (auch Fensterplätze in Fahrtrichtung vorn) und vor allem näher an derjenigen Tür, die ich in der Nähe der Treppe erwartete, wenn der Zug in Zofingen hielt (eine Tür weiter hinten wäre noch besser gewesen, wie ich später feststellen mußte).

Nachdem ich Platz genommen hatte, hörte ich im Mittelgang ein Keuchen und sah, wie der Mann in Sandalen neben meinem Platz im Gang stand und wartete, bis eine teuer gekleidete Dame, ihren abgestellten schweren Koffer weggenommen hatte (anschließend hievte ihr ebenfalls gut gekleideter Mann den Koffer auf die Ablage, nachdem er seinen eigenen dort verstaut hatte). Nun erst sah ich, daß der Mann in Sandalen keine Socken trug und am linken Fuß einige Zehen fehlten. Er sah ca. 60jährig aus, jedoch kann ich mich total verschätzt haben, denn nicht nur an den Füßen, auch im Gesicht hatte er Narben. Er trug ein braune Cordhose, eine dicke braune Jacke und ein Schirmmütze mit Ohrenwärmer. Seine Kleidung sah zwar nicht ladenneu aus, jedoch war sie weder fleckig, noch zerlumpt. Ich wollte schon aufstehen, um Jacke und Rucksack ebenfalls nach oben zu befördern. Als ich aber sah, daß ein Mann der Bahnpolizei dem Mann in Sandalen entgegen kam, legte ich fast instinktiv die Jacke auf meine Beine und zog die Füße unter den Sitz. Den Rucksack legte ich auf meinen Schoß, während ich einen zweiten Bahnpolizisten neben mir sah. Aber der Mann hatte es nicht auf mich abgesehen, sondern er ging dem Mann in Sandalen nach, bis sich letzterer zwischen beiden Bahnpolizisten befand. Der eine fragte: „Wo wollen Sie hin!“ Er antwortete: „Nach Olten!“ „Zeigen Sie mir mal ihr Billett!“, sagte der Polizist im barschen Ton. Ohne Zögern händigte der Mann die Fahrkarte aus, während der Polizist sie betrachtete, wesentlich länger als ein Schaffner es macht. Der andere Polizist fragte: „Wieso sind Sie barfuß?“ Der Mann antwortete mit ruhiger Stimme: „Ich trage doch Schuhe. Nur weil ich keine Socken trage, bin ich doch nicht barfuß. Oder ist das etwa verboten?“ „Aber für mich sind Sie barfuß. Und verboten ist es nicht, aber eklig. Damit werden andere Fahrgäste abgeschreckt.“ „Haben Sie denn noch nie eine Frau in Sandalen gesehen?“ fragte der Mann. „Das ist doch ganz was anderes! Frauen pflegen ihre Füße besser als Männer!“ Jetzt sprach der andere Polizist: „Was wollten Sie in Basel. Woher haben Sie das Geld für das Billett?“

Jetzt mischte sich der gutgekleidete Herr ins Gespräch ein: „Haben Sie mal was von Verhältnismäßigkeit gehört? Seit wann darf man sich nicht in der Schweiz frei bewegen. Solange man eine Fahrkarte hat, geht es niemanden etwa an, woher man das Geld hat!“ „Ach so! Sie finden es also gut, wenn Leute Geld stehlen, um sich eine Fahrkarte zu kaufen.“ „Wie kommen Sie darauf, daß der Herr das Geld gestohlen hat?“ Wenn einer so herumläuft, dann erkennt doch jedes Kind, daß man kein Geld fürs Billett hat.“ Darauf der Herr: „Meine Tochter trägt im Ausgang Jeans mit Löchern, richtig zerlumpt. Außerdem trägt sie selbst im Winter dünne Stoffschuhe ohne Strümpfe. Leiden mag ich es nicht, aber seitdem sie 18 ist, sage ich nichts mehr. Es ist schließlich ihr Leben. Aber sie trägt das Zeug nicht, weil sie kein Geld hat, sondern weil sie es modern findet. Können Sie mir bitte Ihre Ausweise zeigen?“ Darauf der Polizist: „Nicht hier im Zug, der fährt gleich ab. Wenn schon dann draußen Wir müssen in Basel bleiben!“ Nach einer Pause: „Na bitte!“ Dann zum Sandalenträger: „Mitkommen, und zwar schnell!“

Die Bahnpolizisten führten den Mann aus dem Fahrzeug. Durchs Fenster sah ich, wie sie den Rucksack des Mannes überprüften, dann fuhr der Zug ab, und ich verstaute endlich mein Gepäck im Gepäcknetz. Ich hatte wohl deswegen Glück gehabt, weil ich die „falsche“ Treppe zum Bahnsteig runtergegangen bin. Hätte ich die andere benutzt, wäre wohl ich den Bahnpolizisten in die Fänge gelaufen, da ich schneller war als der Mann, der vermutlich infolge eines Unfalls hinkte und Narben hatte.

Darauf ging ich zu dem älteren Ehepaar und sagte zu dem Herrn: „Ich bewundere Ihren Mut. Schweizer Bahnpolizisten und Beamte der deutschen Bundespolizei, die in deutschen Zügen Dienst tun, verstehen meistens überhaupt keinen Spaß. Das gleiche gilt obrigkeitshörige Bereitschaftspolizisten. Und vor allem können sie nicht ab, wenn man ihre Arbeit kritisiert. Ich hätte nicht den Mut gehabt, diese arroganten Bahnpolizisten anzusprechen. Vermutlich hätten sie mich auch gleich abgeführt, da ich richtig barfuß und auch noch nicht gerade winterlich gekleidet war.“ Darauf der Herr: „Das kann ich mir vorstellen. Wenn Schweizer Polizisten mit irgendwas konfrontiert werden, was nicht eindeutig mit Paragraphen geregelt ist, sind sie hoffnungslos überfordert! Hinter jedem ungewöhnlichen Verhalten wittern sie gleich einen kriminellen Akt. “ Nach einer Pause: „Ich habe aus einem Tram aus Frankreich einen Menschen gesehen, der in kurzen Hosen an einer Haltestelle stand. Waren Sie das?“ „Vermutlich schon. Ich habe das Tram benutzt, das unmittelbar danach folgte.“ „Meine Frau und ich waren uns nicht einig, ob Sie Sandalen trugen oder gar keine Schuhe und ob Sie identisch mit demjenigen sind, der letztes Jahr barfuß und in kurzen Hosen über den Weihnachtsmarkt in Aarburg ging.“ Seine Frau fragte: „Wohnen Sie in Aarburg?“ Ich antwortete: „Nein, aber in Zofingen, das 5 Kilometer von Aarburg entfernt ist. Letztes Jahr war ich auf dem Aarburger Weihnachtsmarkt. Dann war ich das wohl auch.“ Darauf die Frau: „Ich finde es toll, daß sie auch bei tiefer Temperatur mit so wenig Kleidung auskommen. Meine Tochter findet es zwar cool, im Ausgang mit blutten Knöcheln durch den Winter zu gehen, aber in der Wohnung zieht sie als erstes dicke Wollsocken an, um keine kalten Füße zu bekommen.“ Ihr Mann sagte: „Typisch Frau!“

Schöne Grüße
Michael aus Zofingen


drtoivowillmann Offline



Beiträge: 355
Punkte: 2

11.12.2017 07:09
#2 RE: Basler Weihnachtsmarkt und Rückkehr nach Zofingen Zitat · Antworten

Lieber Michael:

Leider kenn wir das Ende der Geschichte nicht. Ich hoffe aber von ganzem Herzen, dass jener Mann gegen die beide Bullen Strafanzeige wegen Machtmissbrauch im Amt gestellt hat.
Wer arm aussieht und im Zug sitzt, muss ein Dieb sein: so ein Schwachsinn! Selbst, wenn er arm wäre, wieso kann er sich nicht ein Bahnticket leisten?
Die beide Bullen verdienen ein Disziplinarverfahren.

Barfüssiger Gruss: Toivo


Markus U. Offline




Beiträge: 1.958
Punkte: 794

11.12.2017 13:09
#3 RE: Basler Weihnachtsmarkt und Rückkehr nach Zofingen Zitat · Antworten

Hi Michael,

beim Lesen solcher Berichte kann man fast den Eindruck bekommen, daß die Schweiz, die ich sowohl wegen ihrer landschaftlichen Schönheit als auch wegen der Freundlichkeit vieler ihrer Bewohner und vor allem wegen ihrer direkten und somit wahrhaftigen Demokratie bewundere, ein Polizeistaat sei (auch wenn Du selbst diesmal verschont geblieben bist). Wenn die Schweizer Bahnpolizei so ruppig ist, daß sie alle Fahrgäste, die ihr wegen nackter Füße oder auch nur fehlender Sokken im Winter verdächtig vorkommen, trotz gültiger Fahrausweise aus den Zügen herausholt, so daß sie die Abfahrt versäumen oder die Fahrt unterbrechen müssen, dann kann ich ja nur froh sein, daß ich ihr bei meinen wenigen Aufenthalten in der Schweiz bisher nicht begegnet bin.

Daß die deutsche Bundespolizei, wenn sie in Zügen der Deutschen Bahn AG tätig ist, keinen Spaß versteht, weiß ich infolger zweier strenger Kontrollen, die ich erleiden mußte (eine auf dem Bahnsteige, eine im fahrenden Zuge), aus eigener Erfahrung. Immerhin habe ich seinerzeit weder einen Zug verpaßt, noch mußte ich die Fahrt unterbrechen (da ich eine gültige Fahrkarte und nichts Verdächtiges im Gepäck hatte und die Überprüfung meiner Personalausweisdaten ergab, daß ich nicht als Straftäter gesucht wurde, durfte ich im Zuge sitzenbleiben).

Sokkenlose Wintergrüße,
Markus U.


André Uhres Online

Admin


Beiträge: 2.181
Punkte: 607

12.12.2017 08:22
#4 RE: Basler Weihnachtsmarkt und Rückkehr nach Zofingen Zitat · Antworten

Hi Michael,

toll, dass man extra einen Platz nach dir benannt hat! Nach wem wohl die "Barfüßerkirche" betitelt ist?
In großen Menschenmassen fühle ich mich auch unwohl, wie eingesperrt, und suche mich schleunigst aus der Situation zu befreien, was nicht immer einfach ist.
Dass nur Kinder barfuß laufen dürfen, scheint bei manchen Leuten ein ungeschriebenes Gesetz zu sein. Wo es her kommt, bleibt ein Rätsel.

Ich bewundere auch den Mut des älteren Ehepaars im Umgang mit der respektlosen Polizei, die einen Verletzten belästigte, statt ihm zu helfen, und mal wieder mit Glanz und Gloria durchgefallen ist.

Liebe Grüße
André


Bleifuß Offline



Beiträge: 248
Punkte: 122

13.12.2017 00:02
#5 RE: Basler Weihnachtsmarkt und Rückkehr nach Zofingen Zitat · Antworten

Mann, dagegen ist die Verkehrspolizei ein Vorbild an Höflichkeit.
Gut, dass ich nicht mit der Bahn fahren muss.

/B


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