Hobby-Barfuß-Renaissance-Forum

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#1

Leben in vollen Zügen - barfuss auf der Suche nach dem Märchenschloss

in Barfuß und Leben 26.06.2010 23:34
von Saalenixe-Halle (gelöscht)
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Das Leben in vollen Zügen genießen, wer will das nicht? Ich geniesse es fast immer in vollen Zügen, nicht nur auf dem Weg zur Arbeit und zurück, sondern auch in der Freizeit. Da wann immer möglich barfuss.

Am vergangenen Johannistag führte mich der volle Zug von Halle ins Märchenland. Gibst nicht? Oh doch, gibt es wohl. So wie die barfuss fahrenden Fahrer in Fürschti zuhause sind, die blöde Kuh im Burgenlandkreis oder die Abkürzung für den Kreis Neuburg-Schrobenhausen gerne zweckentfremdet wird für ein geringschätziges Wort für Parfüm. Leider gibt’s bald keine Märchenländer mehr, denn im Zuge der Gebietsreform wurde der Landkreis Mansfelder Land erweitert und trägt jetzt den Namen Mansfeld-Südharz. Mal sehen was findige Wortakrobaten aus dem neuen Kennzeichen MSH basteln.

Los ging es an meinem Heimatbahnhof in Halle-Trotha, kaum in der S-Bahn angekommen wurden erst mal die Schuhe abgestreift. Vorher war ich in Eile, hat pressiert wiar d Sau weil ja mein Kumpel noch raus musste. Doch den besten aller Sennenhunde kann ich auf dem Splitt hier im Park barfuss nicht halten.

Der Weg führte zunächst über Eisleben nach Sangerhausen, Rosenstadt und Sitz einer weltbekannten Fahrradfabrik (keine Schleichwerbung hier) Dort war Umsteigen angesagt, bescheidene 10 Minuten stehen. Eine Schulklasse wartet mit mir am Bahnsteig zwei. Die Jungs und Mädels waren alle recht müde, scheint so sie hatten sich die Nacht vom 23. auf den 24. Juni um die Ohren geschlagen. Ein paar verschlafene Blicke auf meine nackten Füsse, das wars. Für junge Menschen in dem Alter gibt es bestimmt interessanteres zu sehen als blanke Sohlen einer alternden Nixe, die fast ihre Omama sein könnte.

Da rollte er auch schon an, der Regionalexpress Richtung Magdeburg. Irgendwo unterwegs wollte ich aussteigen, Ruinen besichtigen. Na ja eigentlich nicht ganz Ruinen, eher ein klein Häuschen was mit wenig Geld und viel Geduld bewohnbar gemacht werden kann.

„Ausstieg in Fahrtrichtung links“ – das ging jetzt aber schnell. Da fährt er nun, ohne mich…





und ich bin darauf angewiesen, wie weit mich meine nackten Füsse tragen.

Zunächst einmal marschierte ich die Bahnhofstrasse entlang, stadteinwärts. Vor lauter Eile hatte ich auch noch den bereits ausgedruckten Plan zu Hause vergessen, so dass ich rein auf mein Gedächtnis angewiesen war. ein Glück, dass ich am Vorabend nur ein klein wenig zuviel Schwarzes getrunken hatte und somit mein Kopf halbwegs klar war.

Dennoch hielt ich es für besser, Leute die gerade am Strassenrand herumstanden zu fragen nach dem Ziel meiner Träume. Die alten Herrschaften schauten erst etwas komisch, sagten jedoch nichts wegen meiner blossen Füsse, und auch sonst dem Erscheinungsbild was nicht unbedingt salonfähig war. Hochgekrempelte Stoffhose, die lange Haare halbwegs als Pferdeschwanz gebändigt, und mein Erkennungszeichen, einen leuchtenden Rucksack auf dem Buckel. Na ja, ne Fremde halt… andere Länder, andere Sitten werden sich die beiden gedacht haben.

Ich war auf dem richtigen Weg, zu dem von der Stadtverwaltung mit dörflicher Struktur beschriebenen Ortsteil. Na ja, ich weiss nicht so recht – das einzige was halbwegs an ein Dorf erinnerte, war eine Kirche, die so baufällig ist dass betreten strengstens verboten ist.

Nun denn, mal sehen das da noch auf mich zukommt. Gelangweilt balancierte ich auf einer geraden Linie von Schlackesteinen – ganz so wie mich Kerstin und einige andere kennen





Schlackesteine wurden früher in den Kupferhütten aus der anfallenden Schlacke in Formen gegossen. Die Steine konnten ähnlich wie Kopfsteinpflaster im Strassenbau eingesetzt werden. Aus meiner Zeit im Gebiet um den Tagebau Gatzweiler kannte ich nur die Schlackebrocken, die für Feldwege Verwendung fanden.

Baulich niedergeführte, ruinöse Grundstücke sollten den Ort verschandeln, hieß es in dem amtlichen Schriftstück das ich beinahe auswendig kannte. Die Adresse meines Begehrens hatte ich im Kopf, ein Berg im Dorf.


Huch, was ist denn das? Nein, das kann doch wohl nicht wahr sein. Das ist es bestimmt nicht, was mir Freude macht, ein Glück dass neben der beschriebenen Ausstattung auch die Hausnummer nicht passt.





Das ist doch ein bisschen zu fertig… auch wenn die Backsteine jetzt sicher was wert sind, handelt es sich doch um das sehr begehrte Reichsformat, ein Vollziegel der heute schon lange nicht mehr im Handel ist und bei Gebäudeabbrüchen immer schnell seine Liebhaber findet.

Mein Wunschobjekt hatte immerhin noch ein Dach über den Räumen, das schien mir sogar dicht zu sein. Doch ansonsten war es im Zustand weit entfernt von dem wie es beschrieben wurde. Immerhin war es noch bewohnt, wenn auch nur von Hausschwämmen, die leider nicht zur Gattung der wohlschmeckenden Pilze zählen. Obwohl es an dem Tag sehr heiß war, und Regen in den letzten Wochen nur spärlich fiel – dieses Gebäude stank. Mag sein, dass es an dem Hang hinter dem Haus lag, der dem Gemäuer die Sonne stahl. Anstelle einer großzügigen Wiese, geeignet zum Schafe züchten entpuppte sich das als steiler Hang, für dessen Nutzung ich mir erst mal einen Esel hätte anschaffen müssen, der mich von unten nach oben zieht.

Ein Satz mit ix – war wohl nix. Immerhin, um meinen Frust zu ertränken hätte ich in die nahe gelegene Dorfkneipe gehen können, ein paar Meter weiter gleich um die Ecke.





Nein, das war doch nicht mein Geschmack. Stattdessen wanderte ich weiter Richtung Innenstadt, ruhte mich am Markt im Schatten der Kastanienbäume aus und rief den Verkäufer aus der Rosenstadt an dass ich auf eine Innenbesichtigung der Ruine pfeife. Die war für den gestrigen Freitag ausgemacht, doch so wie das nun mal meine Art ist, schau ich mir den Sack erst mal genauer an, in dem die Katze steckt. Kein Wunder, dass er das Objekt wie sauer Bier angeboten hat.

Die Laune vermiesen hab ich mir nicht lassen. Die Sonne knallte vom mittäglichen Himmel, die Zunge hing knapp über den Pflastersteinen und so war dringend geboten doch mal einen Supermarkt aufzusuchen. Von meinem letzten penny erstand ich im gleichnamigen Markt eine Flasche Aqua Minerale, die ich auf dem Weg zum Bahnhof schon halb leerte.

Wie immer war ich zeitlos unterwegs, und wusste daher auch nicht wie spät es ist. So marschierte ich mit sehr schnellem Schritt den Berg wieder hinauf zum Bahnhof, denn ich wollte den Zug nach Sandersleben erwischen damit ich nicht die gleiche Strecke zurück fahren musste. Abgesehen davon ist es über Sandersleben deutlich kürzer, und der Hex hält fast vor der Haustür.

Geschafft. Der rege von Wartenden bevölkerte Bahnsteig ließ erkennen, dass alle auf das von mir gewünschte Beförderungsmittel warteten. Leider gab es hier keine Bahnhofsuhr, wie auch sonst ich diesen Bahnhof nicht unbedingt in die Reihe der Sehenswürdigkeiten eingliedern würde. Sogar einige Buchstaben im Bahnhofsnamen tanzten aus der Reihe.

Die Wartezeit vertrieb ich mir, indem ich auf und ab ging, um das eine oder andere Motiv für meine Fotosucht zu finden. Psst.. seid mal leise damit ich höre was die da hinten zu melden haben. „Das könnt ich nicht“ - „ach, wenn se s gewohnt is..“ „nee, du das wär nich mein Ding.“. Neugierig wie ich nun mal bin, drehte ich mich in Richtung der Stimmen. Zwei junge Männer, na ja vielleicht irgendwas zwischen zwanzig und dreißig saßen auf einer Bank. Beide schwarze Hose, schwarzen Pulli mit irgend ner Werbung drauf, dazu ein Koffer der darauf schließen ließ sie würden über den großen Teich auswandern wollen.

Wie soll ich sie euch beschreiben: sie sahen aus wie Stan und Olli aus der Stummfilmzeit des frühen neunzehnten Jahrhunderts. Der kleene, schmale machte mir tatsächliche den Eindruck, als sei sein Geist etwas hinter dem Mond, all di weil der große Stabile das von der Figur her mächtigste Mannbild war was ich in den letzten Jahren zu Gesicht bekommen habe. Recht viel heller als der kleene war er aber auch nicht im Kopp, wie mir der kurze anschliessende Wortwechsel verriet. Ihren Worten entnahm ich auch, dass sie wie ich nach Halle wollten, und wir in Sandersleben noch mal das kurze Vergnügen des gemeinsamen Umsteigens haben würden.

Im Harz Elbe Express – liebevoll die Hexe genannt, machte ich es mir dann für ne halbe Stunde gemütlich. Dabei wäre ich fast eingenickt, als die Ansage kam: nächster halt Halle Trotha, bitte in Fahrtrichtung rechts aussteigen.



zuletzt bearbeitet 28.04.2013 13:12 | nach oben

#2

RE: Leben in vollen Zügen - barfuss auf der Suche nach dem Märchenschloss

in Barfuß und Leben 27.06.2010 06:38
von rotter (gelöscht)
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Danke Saalenixe,

für den sehr detaillierten Bericht und die originellen Fotos!


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#3

RE: Leben in vollen Zügen - barfuss auf der Suche nach dem Märchenschloss

in Barfuß und Leben 28.06.2010 20:21
von Peter (gelöscht)
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Hallo Saalenixe
wer mit der Bahn und ohne Schuhe unterwegs ist, kann was erleben. Ich musste ein paar Jahre lang täglich über eine Stunde mit der Bahn zur Arbeit fahren. So bald es einigermaßen warm war, habe ich das meistens ohne Schuhe gemacht, wirklich ganz ohne Schuhe, also auch nicht im Rucksack oder so. Um der Etikette zu genügen, schlüpfte ich im Büro in Clogs und nachmittags wieder heraus, um barfuß den Heimweg anzutreten.
Schon das Barfußlaufen zum Bahnhof hat seinen Reiz. Rund um die Bahnhöfe sind die Straßen nicht die saubersten, und den Füßen geht es natürlich genau so, wenn sie ihnen ungeschützt ausgesetzt sind. Mich stört das überhaupt nicht. Barfüßer mit sauberen Sohlen sind ein Widerspruch in sich. Wenn die Füße frei sein dürfen, sehen sie eben so aus wie auf deinem Foto, schmutzig, aber kerngesund, mit kräftigen, beweglichen Zehen. Das ist die natürlichste Art, Füße zu zeigen, und deshalb passt sie für mich zu jedem Outfit und zu jeder Gelegenheit. Deine Kombination mit den hochgekrempelten Hosen finde ich sehr gelungen.
Das Barfußlaufen auf dem Bahnsteig habe ich ganz ähnlich erlebt wie du. Hier ein bisschen Getuschel, dort ein neugieriger Blick. Der Bahnsteig ist wie ein Laufsteg. Die nackten Füße sind von allen Seiten zu sehen und werden zwangsläufig wahrgenommen, zumal sie die große Ausnahme sind. Ich bin am Bahnsteig ein paar Mal einer jungen Frau begegnet, die auch barfuß gelaufen ist, im Gegensatz zu mir sogar im Winter. Aber außer uns beiden waren alle Leute mit Schuhen unterwegs. Wer es nicht anders gewohnt ist, fragt sich beim Anblick der schutzlosen Füße auf dem harten, schmutzigen Bahnsteig wahrscheinlich, ob das nicht weh tut, peinlich oder sogar schädlich ist. Immerhin ist einer deiner "Beobachter" auf den Dreh gekommen, dass du das Barfußlaufen einfach gewohnt bist und es dir deshalb nichts ausmacht. Ich finde es toll, so als Barfüßer "geoutet" zu werden. Es ist doch viel schöner, durch das dauernde Barfußlaufen aufzufallen als dadurch, zufällig mal keine Schuhe an den Füßen zu haben.
Viele Grüße von Peter


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