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Wochenende im Tessin
in Reiseberichte 14.11.2011 18:42von Michael aus Zofingen • | 763 Beiträge | 442 Punkte
Samstag, 12.11.2011: Nachdem ich das Hallenbad in Locarno verlassen hatte, begab ich mich in Richtung Ascona. Ich ging dabei in südlicher Richtung, bis ich auf den Fluß Maggia stieß. Dann wanderte ich direkt am Ufer über einen sandigen Trampelpfad bis zur nächsten Brücke. Es war ca. 12°C, mittlerweile war die Sonne durchgebrochen, aber es gab auch noch Wolken. Ich war in Träger-T-Shirt, kurzen Hosen und ohne Schuhe unterwegs, die Jacke sparte ich mir für später auf, wenn es kälter wird. Lange Hosen und Schuhe hatte ich nicht dabei. Meine Füße waren, während ich am Ufer entlang wanderte, relativ empfindlich, da sie vorher recht lange dem warmem Wasser im Hallenbad ausgeliefert waren.
Dann führte mich der Weg über die Maggiabrücke zur Altstadt von Ascona und zum Wasser. Viele Menschen war recht winterlich vermummt, manchen alten Leuten klappte der Kinnladen runter, als sie mich sahen. Manches Mal hörte ich das Wort „barfuß“, mal hochdeutsch, mal schweizerdeutsch ausgesprochen. Aber auch auf Italienisch (und einmal auf Französisch) fielen Worte, die ich auf das Fehlen von fetten Schuhen zurückführte. Die Hauptstraße in der Altstadt von Ascona besteht aus recht gut barfußbegehbarem Steinpflaster, aber sie besitzt im Straßenraum auch zwei Streifen aus ca. 20 cm breiten Steinplatten. Man könnte meinen, also ob man sie dorthin verlegt hätte, wo früher ein Straßenbahngleis lag. Und ebenso wie eine Straßenbahn auf Gleisen schneller vorwärts kommt als daneben, so kam ich auf den Steinstreifen barfuß auch schneller voran als auf den Steinen. Dann ging ich über Treppen hoch in Richtung Monte Veritas. Auch diese Treppen hatten einen Steinstreifen (diesmal in der Mitte), und daneben Steine. Diese Steine waren deutlich kleiner und sehr bucklig, also nicht gerade sehr barfußfreundlich. Ich vermute aber, daß die Leute, auf die Idee kamen, auch Platten auf den Treppen zu verwenden, nicht in erster Linie (oder in gar keiner Linie?) an Barfüßer gedacht haben, sondern an Frauen mit Stöckelschuhe. Letztere lassen meist mehr Geld in Ascona als Barfüßer. Ich habe an dem Wochenende kein Geld in Ascona gelassen.
Ich gelangte zum Monte Veritas und ging dort durch den Park. Dort waren die Wege recht barfußfreundlich. Auch gab es Wege, die stark belaubt waren. Hier mußte man aufpassen, daß man nicht hinter Baumwurzeln hängen blieb. Auch beim Abstieg mußte ich an einer Stelle aufpassen, weil hier Maronis lagen. Beim Friedhof gelangte ich wieder in die Stadt. Wieder schritt ich in Richtung Altstadt, durchschritt etliche Altstadtgassen. Manche Kinder machten große Glotzaugen. Ich betrat die alte Kirche, die nahe am Ufer war. Beim Betreten des Gotteshauses sah ich wie zwei alte Frauen, die von einem Restaurant den Kircheneingang „überwachen“ konnten, sehr giftige Augen machten, als ich eintrat. Ob deren giftiger Blick sich auf meine nicht vorhandenen Schuhe bzw. meine Hose bzw. Oberbekleidung, beides in nicht-Petersdom-konformer Länge bezog oder ob diese beiden alten Schachteln per se giftig blicken, kann ich nicht sagen. Von den wenigen Leuten, die die Kirche besichtigten schien keiner zu reagieren, auch die beiden Nonnen nicht, die damit beschäftigt waren, das Licht an zu machen. Als ich die Kirche verließ, wollte gerade ein älterer Mann mit Bart in die Kirche. Er sagte „Bonjorno“ und schien ziemlich erstaunt gewesen zu sein, als er mich sah.
Ich ging noch in die andere alte Kirche von Ascona (die mit dem spitzen Turmdach). Hier mußte ich das Licht selber anschalten (dieses ging einfach so, nicht etwas nach Einwurf einer Münze). In dieser Kirche waren keine andren Leute. Als ich draußen war, war es schon ziemlcih dunkel (17 Uhr), ich mußte mir die Jacke anziehen. Ich ging zum See, um dort auf der Bank etwas zu essen (das erste Mal, seitdem ich meine Wohnung verlassen hatte). Gegen 18 Uhr verließ ich die Piazza. Ein Mann mit Hut fragte mich auf Schweizerdeutsch, ob es nicht zu kalt sei. Ich verließ die Altstadt, ging bis zur Maggia und ging direkt am Ufer über Gras und Sand flußaufwärts. Das Gras war sehr naß und kalt. Steine konnte ich kaum erkennen, so daß ich ab und zu mal in einen trat. Aber wenigstens lagen hier keine Bucheckern und keine Maronis, so daß dieser Weg barfuß auch im Dunkeln ohne Gefahr begehbar war. Ich folgte der Maggia, dann dem Nebenfluß Melezza, um diesen auf der nächsten Fußgängerbrücke zu überqueren. Als nächstes ging ich in den Ortskern von Tegna, zur Kirche, zum Bahnhof der Centovallibahn, es war ca. 19.30 Uhr.
Danach begab ich mich wieder in Richtung Natur, schritt noch verschiedenen Trampelpfade im Mondlicht ab, um dann schließlich am Ufer der Maggia unter Bäumen auf Sand einen Schlafpaltz zu finden. Von hier aus konnte man die Centovallibahn am gegenüber liegenden Ufer sehen. Ruhig schlafen konnte ich nicht. Da es sternenklar war, kühlte es auch relativ stark ab.
Gegen 8 Uhr morgens machte ich mich wieder auf den Weg. Wie eigentlich immer, wenn ich im Schlafsack übernachtet habe, sind meine Füße anfangs recht empfindlich. Der Boden war kalt, und ich spürte jeden Stein. Das Gras war auch keine brauchbare Alternative, denn es war sehr naß. Und je näher ich mich westwärts am Ufer der Melazza bewegte, desto öfters war das Gras mit Rauhreif bedeckt. Bereits nach 5 Minuten stellt sich die lausige Zeit ein, und diese verging auch nicht so schnell. Erst nachdem ich mich in Golino entschloß, den Uferweg zu verlassen, um auf der asphaltierten Straße weiter zu gehen, war es vorbei und meine Füße wurden warm. Um 9:30 Uhr war ich in Intragna, ich ging zur Kirche, zum Bahnhof und auch sonst durch verschiedene Gassen. Es wehte stark, und die Sonne würde hier so schnell wegen der Berge nicht hinkommen. Also verließ ich den malerischen Ort wieder, passierte die Isorno-Hochbrücke, um dann der Landstraße Richtung Locarno zu folgen. Da sich das Tal verbreiterte, erreichte mich hier die Sonne, Zeit, um die Jacke auszuziehen. Ein Vergnügen war es jedoch nicht, auf dieser Straße zu gehen. Sie hat kein Trottoir und ist eigentlich nur dort barfuß gut begehbar, wo die Autos fahren. Am Rand dagegen ist der Asphalt sehr rauh, so daß ich dort nur langsamer voran kam als mehr zur Mitte. Deswegen verfluchte ich jeden 4radfahrer, der recht schnell und haarscharf an mir vorbeiraste (es waren viele Italiener unterwegs, die tendenziell wildere Raser sind als Tessiner, während diese tendenziell wilder fahren als Deutschschweizer.
Aber ab Cavigliano ging ich über weniger frequentierte Inerortstraßen bis Tegna, dann auf dem Trottoir bis Ponte Brolla. Der Wegabschnitt nach Locarno (parallel zur Centovallibahn war ebenfalls unschön zu begehen. Rauh am Straßenrand, links die Mauer zur Bahn, rechts das Geländer zum Abhang, viel Verkehr, Straße eher schmal. Erst nach Erreichen der ersten Häuser von Locarno (Solduno) konnte ich die Bahn an einem unter dem Gleis liegenden „Waschhaus“ unterqueren, um auf einer schmalen Straße parallel dazu weiterzugehen. Aber auch hier kam ab und zu ein 4rad. Ich folgte der Bahnlinie, bis sie auf Tauchstation ging. Dann folgte ich ein kurzes Stück einem Fußweg, der oberhalb des „U-Bahntunnels“ angelegt wurde. So gelangte ich zu einem Verkehrskreisel und folgte den Straßen nach Ascona. Mittlerweile war es 12 Uhr. Auf der Piazza fragte mich ein Pfarrer mit Talar, darüber Mantel (und mit Hut) auf Hochdeutsch, ob ich keine Schuhe habe. Ich antwortete: „Ich laufe gerne barfuß, das ist gesund!“ „Dann ist es ja gut!“ entgegnete das „Pfaffenhütchen“.
Ich ging zum Baigno Pubblicco, wo nicht viele Leute waren. An der Steinmauer war es windgeschützt, so daß ich mich dort in der Badehose aufhalten konnte. Zum Baden war der See zwar zu kalt. Aber immerhin wurden Badehandtuch und Badehose trocken. Sie waren noch naß vom Vortag nach dem Besuch des Hallenbades in Locarno, wie hätten die um die Jahreszeit auch trocknen können, wenn man mit dem Rucksack unterwegs ist. Ein Ehepaar und eine junge Frau entledigten sich ihrer Schuhe und Jacken, unternahmen aber keine weitere Anzugserleichterung. Gegen 15.30 Uhr verließ ich (wieder in „normaler“ Kleidung die Badeanstalt, ging durch die Altstadt von Ascona (wo viele Kinder große Glotzaugen machten) und weiter zum Bahnhof Locarno. Um 16.45 Uhr fuhr der Zug (hier keine Reaktion, weder von Bahnbediensteten, noch von Fahrgästen), in Arth-Goldau stieg ich um. Eigentlich sollte jetzt nichts mehr schief gehen, aber es kam anders (nein, keine Polizeikontrolle).
In Luzern verließ ich den Zug nach Basel, da dieser nicht in Zofingen hält und ging zum Perron, wo bereits der Zug nach Genf via Zofingen - Bern wartete. Ich sah, wie sich mein alter Zug Richtung Basel in Bewegung setzte. Dann kam in unserem Zug die Aufforderung, daß Reisende Richtung Bern „wegen eines Personenschadens“ den Zug verlassen sollten und den Zug via Emmental benutzen sollten. Manche bleiben sitzen. Dann kam eine Schaffnerin, die alle aufforderte, den Zug zu verlassen. Ich ging in einen Regioexpreß nach Olten, der 4 Minuten nach meinem Luzern verlassen sollte. Dann fuhr mein Zug nach Bern doch noch ab! Mit 5 Minuten Verspätung fuhr auch der Zug, in dem ich saß, ab. Nachdem dieser Zug den Bahnhof Sempach-Neuenkirch verlassen hatte, kam die Zugdurchsage, daß dieser Zug nur bis Sursee (also dem nächsten Haltebahnhof) fahren würde, dort würden Busse stehen.
Der Zug erreichte Sursee, der Zug, der nach Bern sollte, stand auch dort, auf dem Bahnhofsvorplatz standen sicher über 100 Leute, aber keine Busse. Ein Bediensteter rief ohne Megaphon in die Menge, daß für Reisende nach Zürich ein Bus kommen würde, die anderen sollten mit der S-Bahn weiterfahren. ich rannte zum Bahnsteig, aber es kam keine S-Bahn. Dann auf dem Bahnsteig eine Durchsage, daß für die Weiterreise nach Zofingen Busse bereitstehen. Ich rannte wieder zurück, ein Bus stand dort, viele drängten sich rein, viele blieben draußen. Es sollte in 20 Minuten ein weiterer Bus kommen. Ich stand da auf der Straße. Ein Mann mit Mütze fragte mich, ob die Füße allmählich nicht doch kalt werden, worauf eine Frau sagte: „Der ist abgehärtet!“
Es kam irgendwann wieder ein Bus, ich drängte mich rein, viele bleiben draußen. Der Bus fuhr ohne Halt nach Zofingen über die Autobahn. Also nicht nur der Deutschen Bahn passiert nicht Vorhersehbares, auch den SBB. Aber da es nicht allzu kalt war, war das Warten in Sursee sicher weniger unangenehm als das warten in Ribnitz-Damgarten, was einem Forumsmitglied passierte . Ich habe ohnehin den Eindruck, daß es manch einen öfters passiert, daß Züge nicht ordnungsgemäß verkehren, aber selten Ärger mit der Polizei hat. Bei mir ist das umgekehrt.
Schöne Grüße
Michael aus Zofingen
http://www.luzernerzeitung.ch/zentralsch...en;art92,129705
Zitat von Michael aus Zofingen
Aber da es nicht allzu kalt war, war das Warten in Sursee sicher weniger unangenehm als das warten in Ribnitz-Damgarten, was einem Forumsmitglied passierte . Ich habe ohnehin den Eindruck, daß es manch einen öfters passiert, daß Züge nicht ordnungsgemäß verkehren, aber selten Ärger mit der Polizei hat.
Oh ja !!! Alleine das letzte Jahr böte genug Material für ein weiteres "Das Bahnhasser-Buch" !!! (Das gibts wirklich - Knaur-Verlag - siehe dort)
Zuletzt bin ich vor vier Wochen an der Rückreise Leer - Teningen bereits in Münster gescheitert ...
Immerhin gabs einen Kaffeegutschein (!) und - nachdem ich das Hotelangebot für Münster ablehnte ("Sie erreichen ihr Ziel heute nicht mehr, aber wenn sie eine Übernachtung in Anspruch nehmen wollen müssen sie das HIER tun!") nach einigem hartnäckigen Bemühen einen Taxigutschein für die Restfahrt von Offenburg, das ich immerhin noch vor "Ladenschluß" erreichte ...
Das Leben in vollen Zügen geniessen ...
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