Zitat von Markus U. im Beitrag #4
Warum soll der Richter sich mißachtet fühlen? Es kommt freilich ein Stückweit darauf an, welche Rolle jemand vor Gericht spielt. Für Zuschauer und Zeugen sind nackte Füße völlig unbedenklich, während ich mir bei Parteien oder Angeklagten nicht so sicher bin, und für mich als Anwalt kommen barfüßige Auftritte vor Gericht nicht in Frage (es sei denn, daß der Mandant darauf bestünde, was aber noch nicht vorgekommen ist).
Markus U.
Hallo Markus,
falls ein Mandant darauf besteht, daß Du ihn barfuß im Gerichtssaal verteidigst, könnte es sein, daß seine Chancen, besser davonzukommen, geringer sind, wie wenn Du ihn in "normaler" Anwaltskleidung verteidigst. Es kommt ganz auf den Richter an.
Ich vermute einmal, daß Richter heute weniger Wert auf Äußeres legen als noch vor 40 Jahren. Damals konnte man gebüßt werden, wenn man als Mann mit langen Haaren als Zeuge erschien.
Heute soll man sich vor Gericht als Zeuge möglichst "normal" geben. Wenn etwa ein Mensch (etwa ein Maurerlehrling), der in der Freizeit normalerweise nur Jeans trägt, als Angeklagter im besten Anzug erscheint, dann ist das verdächtig. Das Erscheinen in Maurerklamotten ist zwar nicht zumutbar, soll man halt normale Kleidung tragen. Von einem Banklehrling erwartet man, daß er in der Kleidung kommt, die er am Arbeitsplatz trägt.
Ein Postbote war mal im Hochsommer in kurzen Hosen (also in dr Kleidung, die er bei der Arbeit trägt) als Zeuge vor Gericht erschienen (direkt von der Arbeit und er wollte nach dem Termin weiterarbeiten). Er sollte wegen "Mißachtung des Gerichts" zu einer Geldbuße verdonnert werden. Er hat dagegen geklagt und Recht bekommen. Ein Möbelverkäufer, der am Arbeitsplatz Anzug und Krawatte trägt, erschien ebenfalls in kurzen Hosen vor Gericht als Zeuge (er hatte Ferien). Er kam mit seiner Beschwerde nicht durch.
Wenn man als Angeklagter barfuß erscheint (und der Richter ist ein Stil & Etikette-Fetischischt), dann ist die Gefahr groß, daß er einen in Wirklichkeit unschuldigen Menschen für schuldig erklärt bzw. einem Schuldigen sogar noch eine höhere Strafe aufbrummt als der Staatsanwalt verlangt.
Falls ich mal als Zeuge vor Gericht muß (in einem privaten, keinem geschäftlichen Fall), dann dürfte ich wohl nur in langen Hosen und mit Schuhen oder in kurzen Hosen und barfuß, nicht aber barfuß und in langen Hosen erscheinen, weil man mich in der letzten Kombination nicht kennt. In dieser Kombination wirke ich unautentisch.
Schöne Grüße
Michael aus Zofingen