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Dieses Thema hat 1 Antworten
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 Barfuß und Leben
Michael aus Zofingen Offline



Beiträge: 730
Punkte: 384

04.01.2016 05:07
Ein Ausflug in Richtung Sonne und WARMEN Schnee Zitat · Antworten

Hallo!

Das Jahr 2015 gehört nun der Vergangenheit an. Gemäß Wetterfröschen war es eines der wärmsten, wenn nicht gar das wärmste Jahr seit langem. Auch der Dezember war sicher nicht gerade ein zu kalter Monat. Alle 3 Weihnachtstage waren dank bewölkter Nächte so warm, daß man sich um die Mittagszeit an windgeschützten Stellen an der Aare so in der Sonne aufhalten konnte, daß man sich im T-Shirt als „massiv overdressed“ vorkommen würde. Dann wurde die Wetterlage stabiler, was zu einer vermehrten Nebelbildung im Mittelland führte, während es in der Höhe sonnig blieb. So entschloß ich mich, am Montag, den 28.12.2015 meine 9-Uhr-Tageskarte zu verfahren. Wie ich später erfuhr, war dieses auch der letzte Tag im Jahr, an dem es in der Höhe sonnig UND mild war.

Dichter Nebel lag über Zofingen, als ich bei +1°C zum Bahnhof radelte. Eine Jacke war zwar nötig, aber auf das Tragen (bzw. die Mitnahme) von Schuhen, langen Hosen und „des Mützbürgers liebstes Kleidungsstück“ konnte (und wollte) ich ECHT verzichten. Auf dem Bahnsteig stellte eine ältere Frau die berühmt-berüchtigte K-Frage. Der Zug nach Luzern war pünktlich und relativ voll. Vom Luzerner Bahnhof ging ich weiter zum Schiffsanleger. Der Andrang war so stark, daß ein Extraschiff nach Weggis und Vitznau ohne Zwischenhalt eingesetzt wurde neben dem Planschiff nach Flüelen. Für mich bedeutete es, daß ich einen etwas längeren Fußweg zum Anleger hatte. So mußte ich auch über nasse Holzplanken gehen, was barfuß trotz der niedrigen Temperatur ganz angenehm war. Ich vernahm Stimmen wie „Brrrrrrrrrrrr“ (obwohl kein Pferd weit und breit war).

Zwei bemützte Bedienstete der Schifffahrtsgesellschaft empfingen die Fahrgäste freundlich und machten keine, aber auch wirklich keine Bemerkungen zu meiner ganz und gar nicht winterlichen Aufmachung. Einige Fahrgäste mit chinesischem oder japanischem Gesichtsausdruck starrten auf meine Füße, ebenso einige dick vermummte Kinder, die Schweizerdeutsch sprachen. Die Mehrheit der Fahrgäste (überwiegend ostasiatisch) war jedoch überwiegend damit beschäftigt, ihre Begleiter, sich selber, das Schiff und die langsam im Nebel verschwindende Stadt zu fotografieren, meist mit Handys, seltener mit „richtiger“ (vermutlich „nicht-malo-konformer“) Kamera.
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Unser vollbesetztes Schiff war eher in Vitznau als das vollbesetzte Planschiff. Da ich mich in der Nähe des Ausganges aufgehalten hatte und auch in Besitz einer Fahrkarte war, war es nicht schwierig, einen Sitzplatz im vorderen Teil der roten Zahnradbahn nach Rigi-Kulm zu bekommen. Auch das Bahnpersonal nahm keinerlei Anstoß an meiner Aufmachung und an meiner Tageskarte, die auch auf den Rigibahnen gilt. Meine Befürchtung, daß an Tagen mit starkem Andrang Leute mit „Billigfahrkarten“ nur dann befördert werden, wenn alle Leute (und idealerweise Leute, die kein Halbpreisabo haben), die vor Ort bezahlt haben, einen Platz im Zug haben, erwies sich als haltlos. Immer mehr Leute bestiegen den Zug. Während anfangs mehr Einheimische (Ortskundige mit Generalabo, Tageskarte usw.) den Zug bestiegen hatten, kamen auch nun immer mehr ausländische Touristen. Ich bewunderte das Bahnpersonal, wie souverän es die Fahrgastströme leitete und dabei freundlich blieb. Ob alle Leute aus den 2 Schiffen, die nach oben wollten (die Leute, nicht die Schiffe), in diesem (extra verlängerten) Zug Platz fanden, entzieht sich meiner Kenntnis.

Ratternd setzte sich der Zug in Bewegung und ließ Vitznau in der Nebelsuppe zurück. Einige Bäume hatten Rauhreif. Aber es dauerte nicht lange, da hatte der Zug die Nebelgrenze überschritten und die am anderen Seeufer liegenden Berggipfel wurden sichtbar. Der Vierwaldstätter See selbst war unter dem Nebel verborgen. Überall im Offtopic-Fahrzeug tönte es „Wonderful“, Handys wurden gezuckt. Dagegen ließen sich ältere Schweizer Leute in Wanderkleidung kaum aus der Ruhe bringen. Vermutlich waren sie schon öfters hier und kannten mittlerweile wie „Großvater Schär“ jeden Spitz, jeden Grat, jedes Horn und jede Wand (ohne es jedoch den fremden Leuten mitzuteilen und dabei wild mit dem Stecken rumzufuchteln). Draußen schien es auch deutlich wärmer zu sein in der Sonne, denn einige der Wanderer hatten ihre Jacken um die Hüften gebunden. Es tauchten auch schon einige Schneefelder auf.

An der Endstation Rigi-Kulm verließ ich den Zug. Daß ich gleich auf einen Weg zusteuerte, auf dem Schnee lag, überrascht wohl nicht. Denn ich wollte unbedingt barfuß durch den Schnee gehen. Es war WARMER Schnee, toll, nicht? Ich ging hinauf auf den höchsten Punkt des Berges, wo sich etliche Leute aufhielten. Es war etwas windig, aber relativ warm in der Sonne, jedoch nicht so warm, daß ich auch noch das T-Shirt ausziehen konnte. Man hatte einen schönen Ausblick auf die Berge und aufs Nebelmeer. Der Zuger See war total unter dem Nebel verschwunden, der Kantonshauptort Schwyz war gerade eben nebelfrei. Ich wollte aber nicht nur auf dem Gipfel stehen, sondern auch ein bißchen herumwandern, und zwar dort, wo barfuß gehen auch Spaß macht. So ging ich zunächst parallel zur Bahn zur Station Rigi-Staffel. Meistens ging ich auf dem Gras (oder auf dem Schnee) neben dem befestigten Weg, hier mußte ich mich nicht dem Tempo der Mehrheit anpassen, die entweder dauernd das Wischphon zückten oder ihre Geschwindigkeit durch ihren überall rumschnüffelnden, angeleinten Hund fremdbestimmen ließen. Ganz davon abgesehen war so auch die Gefahr geringer, daß meine Füße von fetten Bergstiefeln plattgetreten oder von beeisenspitzten Wanderstöcken durchbohrt wurden.

Dort, wo Splitt lag, ging ich nicht hin. Auch hatte ich es nicht nötig, dort zu wandern, wo es schattig war und das Gras steinhart gefroren war. Auch über schräge Eisflächen ging ich nicht. Aber wo es matschig war oder wo dünner Schnee lag, ging ich gerne. Für die paar Stunden, die ich oben verweilen würde, reichten die barfußfreundlichen Flächen aus, wozu die barfußfeindlichen benutzen. Wirklich negative Reaktionen auf meine Barfüßigkeit/Kurzhosigkeit erhielt ich nicht, vermutlich deswegen nicht, weil griesgrämige Spießer nicht auf die Idee kommen, in die Berge zu fahren. Ein paar Mal wurde die alberne K-Frage gestellt. Eine Frau fand es cool, wie ich mitten im Winter so sommerlich gekleidet durch den Schnee ging und wollte mich fotografieren (was sie auch durfte). Ein Wanderer sagte zu einem anderen, daß es zwar recht warm wäre, jedoch barfuß im Schnee etwas spezielles sei. Von Nichtschweizern hörte ich öfters „It’s summer!“. Weitaus mehr Aufmerksamkeit bei den „schlitzäugigen“ Touristen erregte ein fett beschuhter und behelmter Gleitschirmspringer, der sich von hier oben ins Tal stürzte.

Als ich über ein Schneefeld ging, wo zwei fett bewollmützte Jungen in farbigen Skianzügen gerade einen kleinen Schneemann bauten (und somit mir einen Teil der barfußfreundlichen Unterlage klauten), hörten mit dem Bauen inne, starrten mich an, und einer fragte die Mutter (auf Schweizerdeutsch), die rauchend und bewischphont auf einer Bank saß: „Was macht der denn da?“ Darauf die Mutter: „Genau das gleiche, was ihr im Sommer im Garten und im Haus SOOOOOOOOOO gerne macht – er geht barfuß.“ „Und WIESO geht er barfuß? Der erkältet sich doch!“ Nun mischte sich der Vater ein, der als einziger in der Familie die Jacke auszogen hatte und die Hosenbeine so hochgekrempelt hatte, daß er das Tragen einer ¾-Hose vortäuschte. „Nein, der erkältet sich nicht. Wenn man das öfters macht, härtet es ab, und man wird nie krank.“ Ich grinste alle an und wartete vergeblich auf Reaktionen der Kinder, etwa: „Papi, wieso trägst du noch Schuhe?“ Wie so oft scheinen Leute zu wissen, daß barfuß gesund ist, und trotzdem tun sie es nicht. Sind es die „spießigen Schamgrenzen“ (sowas tut MAN nicht), wie Karl Heinz zu sagen pflegt, wenn man sich nicht traut, vom Mainstream abzuweichen? Oder steckt was ganz anderes dahinter? Da muß man nur ans Rauchen denken. Anders als das gesunde Barfußgehen ist das gesunde Nichtrauchen keine massive Abweichung vom Mainstream. Und viele Raucher wissen, daß Nichtrauchen gesünder ist als Rauchen. Und trotzdem gibt es Leute (sogar Ärzte), denen es trotz dieses Wissens nicht gelingt, mit dem Rauchen aufzuhören.

Auf dem Berg trugen einige Leute beim Joggen sowie einige Mountainbikefahrer unlange Hosen. Auch ein ca. 10jähriges Mädchen trug Bermudas und Bergschuhe. Mich wundert, daß die sie begleitenden Eltern das erlaubt hatten, bluttbeinig im Dezember!

Besonders warm war es vor einem Gebäude unweit des Bahnsteigs. Hier schien die Sonne es war windstill. Kein Wunder, daß die Bänke hier voll besetzt waren. Und hier sah ich erstmalig auf dem Berg einen Mann, der barfuß war und sich mit einer neben ihm sitzenden Frau in einer Fremdsprache (ich glaube, es war polnisch) unterhielt und rauchte. Da der Mann seine Wanderschuhe und Sokken neben sich abgestellt hatte, war er „unecht“. Mangels Sitzgelegenheit ging ich weiter. Ca. 45 Minuten später kam ich wieder an dieser Stelle vorbei. Es war immer noch kein Sitzplatz frei, und der „Pole“ saß noch immer dort. Plötzlich sprang ein Mädchen von der Bank auf, zeigte auf meine Füße und schrie (auf Hochdeutsch): „Mutti, auch der Mann ist barfuß, nicht nur der mit der ganz komischen Sprache!“ Darauf die Mutter: „Na und!“ Dann die Tochter: „Du hast doch vorhin gesagt, daß ich dann die Schuhe ausziehen darf, wenn das mehr Menschen tun als einer.“ „Na schön“, sagte die Mutter etwas resigniert. Ob sie mich nun heimlich verfluchte. Oder ob sie bereute, daß sie so leichtfertig die Erlaubnis gegeben hat? Sicher war das Mädchen mir nicht böse, hätte es sonst freudestrahlend gerufen: „Prima, ich darf die Schuhe ausziehen! Juhuuuuu!“ Ich vernahm wohlwollendes Gelächter von erwachsenen sowie eine weibliche Stimme (der Stimmlage nach wohl eine Frau im Rentenalter: "Wie hääääääärzig!“

Anstatt wie ursprünglich geplant geradeaus weiter zu gehen, bog ich nach links ab und steuerte gerade auf einen Schneehaufen zu, den vermutlich ein Räumfahrzeug dorthin geschoben hatte. Ich hörte noch die Mutter rufen: „Aber den Wollpulli und die Hose behältst du an. Und durch den Schnee gehst du auch nicht, der ist zu kalt. Am Schneehaufen dreht ich mich noch einmal um und sah, wie das Mädchen „erst“ halb barfuß war und sich abquälte, den zweiten Schuh aufzuschnüren.

Bald danach ging ich zum Bahnhof Draußen wurde es kühler. Ein Mädchen auf dem Bahnsteig rief: „Ihgitt, der hat dreckige Füße!“ So ganz unrecht hatte das Mädchen zwar nicht, aber dessen Schuhe waren doch deutlich dreckiger. Der nächste Zug war meiner, diesmal war es eine blaue Zahnradbahn nach Arth-Goldau (keine rote nach Vitznau). Diese Strecke führte am Schattenhang des Berges entlang. Auch in diesem Zug sagte niemand etwas zu meiner Barfüßigkeit. Nicht auszudenken, wenn man mich wegen Barfüßigkeit nicht mitgenommen hätte mit der Begründung, daß in den Rigibahnen ein Barfußverbot aus Sicherheits- oder Hygienegründen) gelte und das Personal bei meiner barfüßigen Bergfahrt meine fehlenden Schuhe vor lauter Streß übersehen hätte. Ich wäre niemals vor Einbruch der Dunkelheit zu Fuß ins Tal gekommen, auch mit Schuhen. Aber ehrlich gesagt habe ich auch nicht damit gerechnet.

An einigen Zwischenstationen stiegen noch Leute zu. Der Rigigipfel lag noch in der Sonne, hier war es schattig. Langsam näherte sich das Nebelmeer, und viele Fahrgäste fotografieren noch mal schnell, bevor das Offtopic-Fahrzeug im Nebel versank. Ein Mann sagte zu seiner Frau: „Welch ein Stimmungswechsel!“ Es dauerte nicht mehr lange, da tauchten die ersten Häuser von Goldau auf. Dann hielt der Zug an der vorletzten Station nahe der 4radbahn und leerte sich etwa zur Hälfte. Die Leute strömten in Richtung Parkplatz. Der Rest fuhr weiter zur Endstation, dem bevorzugten Umsteigepunkt für Leute, die offtopic weiterreisen wollen. Leider liegt der Endhaltepunkt nicht mehr auf dem „Eisernen Steg“ über den Gleisen der „richtigen“ Eisenbahn, sondern wir mußten einige hundert Meter über nebelnasse Straßen gehen, um zum Bahnhof Arth-Goldau zu kommen. Im dichten Nebel war der Weg nicht so einfach zu erkennbar, aber ich folgte dem „Mainstream“. Ich hörte eine Kinderstimme: „Papi, schau dir den an. Wieso ist der so kurz?“

Meine Fahrt auf die Rigi war hier zu Ende, meine Reise aber noch lange nicht. Ich wollte noch weiter, in Richtung Zürich.


Schöne Grüße
Michael aus Zofingen (Fortsetzung folgt)


Markus U. Offline




Beiträge: 1.958
Punkte: 794

11.01.2016 14:04
#2 RE: Ein Ausflug in Richtung Sonne und WARMEN Schnee Zitat · Antworten

Hi Michael,

wieder einmal ein herrlicher Bericht, bei dem ich lesend alles "miterlebt" habe. Wie die meisten Deiner Berichte hat mich auch dieser wieder zum Nchdenken angeregt. Jetzt ist mir endgültig klar geworden, daß Du aufgrund Deiner hervorragenden Beobachtiungsgabe viele Reaktionen bemerkst, die ich gar nicht mehr wahrnehme, und daß Du zudem wegen Deiner extrem kurzen Hosen im Winter derart auffällst, daß auch die nackten Füße eher bemerkt werden als bei einem Barfüßer, der lange Hosen, womöglich sogar Schlaghosen (bei denen ich die kokett hervorlugenden Zehen besonders reizvoll finde) trägt.

Und im Grunde interessiert es die meisten Leute, sofern es sich nicht gerade um totale Spießer handelt, überhaupt nicht, was jemand trägt oder nicht trägt.

Barfüßige Wintergrüße,
Markus U.


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