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Hobby-Barfuß-Renaissance-Forum

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Dieses Thema hat 8 Antworten
und wurde 1.085 mal aufgerufen
 Barfuß und Leben
Michael aus Zofingen Offline



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26.04.2012 06:37
Ein Interview für die Schule Zitat · Antworten

Vorgestern erhielt ich im Büro einen Anruf von einem Mann. Er sagte, daß seine Tochter in der Schule an einer Projektarbeit beteiligt war und es darum ginge, „auffällige“ Personen in der Region Zofingen zu interviewen und fragte, ob ich mich dazu bereit erkläre. Ich tat es. Der Mann sagte noch, daß seine Tochter sich nicht traute, mich direkt anzurufen. Ich gab ihm meine private Telefonnummer, damit seine Tochter mit mir einen Interviewtermin abmachen konnte. Ich erfuhr auch noch, daß er meine geschäftliche Telefonnummer indirekt über eine andere Mitarbeiterin in der Firma erfahren hat. Am Abend rief die Tochter bei mir an und wir verabredeten uns für gestern 18 Uhr zum Interview in meiner Wohnung.

Gestern kurz vor 18 Uhr erschien auch die Tochter zusammen mit einer Schulkameradin (vermutlich sind sie mit dem Bus gekommen, der gegen 17.45 Uhr bei mir vorbeifährt). Ich brauche wohl nicht betonen, daß ich mich für dieses Interview extra in Schale geschmissen habe. Träger-T-Shirt und kurze Hosen reichten völlig, auf Anzug, Krawatte, Schuhe und eine angemessene Kopfbedeckung habe ich verzichtet. Die Schülerinnen waren winterlicher vermummt. Eine fragte, ob sie die Schuhe ausziehen müsse, worauf ich antwortete, daß in meiner Wohnung jeder selber entscheiden dürfe, ob er Schuhe trage oder nicht. Ich konnte nicht verkneifen, zusätzlich zu sagen: „Wer überhaupt nicht gerne Schuhe trägt, darf sie selbstverständlich ausziehen!“ Die Schülerin, die gefragt hatte, sagte noch: „Gott sei Dank!“ Ob sie zu Hause die Straßenschuhe in der Wohnung ausziehen muß und es lästig findet, auf Strümpfen oder in Finken durchs Haus zu gehen? Jedenfalls behielten beide ihr Schuhe an, auch die Jacken. Bei einer hatte ich im Laufe des Interviews sogar den Eindruck, als ob es ihr in meiner ungeheizten Stube zu kalt war, jedenfalls verschloß sie die Jacke noch mehr.

Ich hatte einen Barfußflyer, einen Kurze-Hosen-Flyer, ein paar Zeitungsausschnitte über mich (speziell mit Polizeikontrollen, jedoch auch andere) sowie ein paar Ausdrucke von Fotos (auch von anderen Barfüßern) bereitgelegt und auch abgegeben. Ich benutzte diese Papiere auch, während ich die Fragen beantwortete. Die erste Frage war, wie ich dazu gekommen war, worauf ich gesundheitliche Aspekte erwähnte, den barfüßigen Müller in Böttstein, mein nicht wiedergefundenes Velo (mit den dort abgestellten Schuhen) am Sarner See und ich zwangsweise barfuß mit dem Zug nach Zofingen mußte. Auch erwähnte ich die ersten Barfußtreffen, meine ersten Eindrücke, die Folgen. Ich wollte damit nur sagen, daß barfuß laufen und das Tragen von kurzen Hosen nichts anderes ist als ob man eine Brille oder einen Bart trägt. Anhand der Fotos konnte ich zeigen, daß ich nicht der einzige war, der im Winter keine Schuhe trägt, und daß es durchaus auch möglich sei, barfuß zu sein und gleichzeitig lange Hosen, Handschuhe und Mütze zu tragen. Auch wies ich darauf hin, daß man im Winter in letzterer Aufmachung besser vor Polizeikontrollen geschützt sei als in kurzen Hosen, weil man dann weniger auffiele. Ebenso erwähnte ich meine Velotouren und meine Übernachtungen im Freien im Schlafsack. Auch erwähnte ich meinen Auftritt in der Fernsehsendung „Puls“:
https://www.youtube.com/watch?v=8p0hHrqkWnw
https://www.youtube.com/watch?v=A6pB5f3Rjuk

Es kam auch die Frage auf, ob es schwieriger sei, in „nicht übermäßig winterlicher Aufmachung“ einen Lebenspartner zu finden, worauf ich antwortete, daß ich nie das Verlangen nach einem Lebenspartner hatte und es deswegen nicht beurteilen könnte. Ich erwähnte aber, daß es Fälle gab, daß Ehen in die Brüche gingen, meistens aber lag der Grund aber daran, daß es in der Ehe an sich kriselte und Barfüßigkeit dann nur als Aufhänger genommen wurde. Dagegen wäre es selten, daß eine bisher intakte Ehe in die Brüche geht, wenn einer anfängt, barfuß zu laufen oder kurze Hosen zu tragen. Ich gab aber auch offen zu, daß die Tatsache, daß ich im Raum Zofingen keine Verwandten habe, sicher die Abkehr von „spießbürgerlichen Normalität“ vereinfacht haben und daß, nachdem ich „meinen“ Weg eingeschlagen hatte, die Verbindung zu meinen weit weg wohnenden Verwandten lockerer wurde. Ich erwähnte natürlich auch, daß ich als Chemiker im Labor Schuhe und lange Hosen aus Sicherheitsgründen tragen müsse, daß die Arbeitskollegen sich an meinem Freizeitverhalten nicht stören (bis auf ein mittlerweile pensioniertes hohes Tier) und daß es mir völlig egal war, was die Nachbarn von mir denken. Schließlich füge ich niemandem einen Schaden zu. Ich konnte es auch nicht lassen, den „alteingessenen Zofinger“ zu charakterisieren: Der alteingesessene Zofinger ist äußerlich nicht abweisend gegenüber „Fremden“. Als „Fremder“ darf mein seine Arbeit tun, aber nicht mehr. In die „intimen“ Zofinger Bereiche käme man als Fremder nicht rein. Und als „Fremder“ zählen nicht nur Ausländer, sondern auch Schweizer aus anderen Gemeinden, sogar solche aus Mühlethal, was heute zu Zofingen gehört, früher aber selbständig war. Eine Schülerin, die aus Mühlethal kommt, konnte dieses bestätigen. (Für manch einen alteingesessenen Hamburger sind die Altonaer und Harburger ja auch noch heute „Quittjes“) . Auch erwähnte ich, daß manch ein scheinbar „distanziert freundlicher Zofinger Füdlibürger“ hinter dem Rücken die Polizei ruft. Meine Polizeigeschichten, speziell die in Zofingen und Stuttgart, verursachten bei den Schülerinnen ein Grausen.

Erst als sie sich bereits im Gehen befanden, kam die K-Frage. Ich entgegnete, daß es mir in der Wohnung nicht zu kalt sei und ich draußen bei den gegenwärtig herrschenden Temperaturen auch nicht zu kalt sei. Bei tieferen Temperaturen würde ich schon eine Jacke tragen, und als es im Februar nicht über -10°C tagsüber wurde, wäre ich sogar mit Schuhen zum Einkaufen gefahren, aber immerhin in kurzen Hosen. Ich zeigte den Schülerinnen auch den Platz drinnen vor der Haustür, wo meine Schuhe standen. Insgesamt hat das Interview etwa eine Stunde gedauert. Die Schülerinnen sagten, daß das Interview Spaß gemacht hat, besonders haben sie sich zu den Unterlagen gefreut, die ich abgegeben habe. Sie haben auch gefragt, ob sie die Fotos im Schülerkreis zeigen dürfen. Sie dürfen! Denn schließlich mach ich nichts Verbotenes. Auch mir hat das Interview gefallen. Für vieles, was ich sonst noch hätte erzählen können, war keine Zeit. Bei dem Interview habe ich aber „Insider-Ausdrücke“, wie sie in den Foren häufig zu lesen sind, nicht gebraucht, z.B. Offtopic-Fahrzeug, fett beschuht, echter und unechter Barfüßer, 4rad, Ratinger Definition, Stehkragenproletarier. Als einziges gebrauchte ich für einen Beamten der Deutschen Bundespolizei einen Ausdruck, indem ich lediglich die Kopfbedeckung nannte.

Schöne Grüße
Michael aus Zofingen


Markus U. Offline




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27.04.2012 22:00
#2 RE: Ein Interview für die Schule Zitat · Antworten

Hi Michael,

das ist ein besonders schöner Bericht über eine erfreuliche Begebenheit, und es bleibt zu hoffen, daß der Besuch der beiden Mädchen bei Dir ihnen unvergeßlich in Erinnerung bleibt, so daß sie für ihr leben lernen, daß jemand, der sich in seinem Äußeren nicht an die Allgemeinheit anpaßt, allein deswegen nicht schon verschroben, absonderlich oder gar verdächtig ist. Gut fand ich auch das, was Du über das Verhältnis der "alteingesessenen Zofinger" zu Zuzüglern gesagt hast (leider ist das keine Zofinger Spezialität, sondern trifft auf viele, vor allem kleine und überschaubare Ortschaften in der ganzen Welt zu).

Leider kann ich mich gar nicht mehr daran erinnern, was Du im alten Forum mal über einen barfüßigen Müller in Böttstein berichtet hast. Was hatte es mit dem auf sich?

Barfüßige Frühlingsgrüße,
Markus U.


Michael aus Zofingen Offline



Beiträge: 744
Punkte: 415

01.05.2012 05:28
#3 RE: Ein Interview für die Schule Zitat · Antworten

Hallo Markus,
über den barfüßigen Müller in Böttstein hatte ich auch nur indirekt im Forum berichtet. Im Spätsommer 1989 fand man ein Betriebsausflug unserer Abteilung statt. Besichtigt wurde das Kernkraftwerk Beznau, die benachbarte Ölmühle in Böttstein, und zum Abschluß gab es ein Essen im Schloß Böttstein (Restaurant). Die wasserbetriebene Ölmühle arbeitete nicht mehr im kommerziellen Betrieb, sondern gehörte einem Museumsverein. Der Müller hat sie an den Verein verkauft, nachdem er in Rente ging. Fortan fungierte er als „Museumsmüller“. Und dieser Mann war barfuß, nicht nur während der Museumsführung, sondern auch während seines Berufes, und zwar im Sommer wie im Winter, wie er sagte. Für mich war barfuß überhaupt kein Thema, jedoch ein Grund, das Tragen nicht übermäßig winterlicher Kleidung (speziell kurze Hosen und keine Mütze) auch in die weniger sommerliche Jahreszeit auszudehnen. Das Barfußlaufen folgte erst später.

Vor einigen Jahren war Schweizer Mühlentag. Da waren an einem Samstag etliche Mühlen geöffnet, darunter auch die Ölmühle in Böttstein. Grund genug, dorthin zu radeln, und zwar barfuß! Den barfüßigen Müller traf ich nicht mehr an, er war in der Zwischenzeit gestorben. Sein Sohn, der beruflich kein Müller war und mittlerweile auch nicht mehr berufstätig, hatte die Museumsführung übernommen. Im Gegensatz zu seinem Vater war er fett beschuht. In der Mühle waren aber etliche Bilder aufgehängt, die den barfüßigen Müller bei der Arbeit zeigten. Der „neue“ Müller hat mich als ich kam, gleich auf meine Barfüßigkeit angesprochen, worauf ich auf den Betriebsausflug hinwies. Erst darauf erfuhr ich, daß der alte Müller tot war und er der Sohn. Als der „neue“ eine Gruppe von Leuten durch die Mühle führte, vernahm ich, wie ein anderer Besucher sagte, als er die Bilder betrachtete und auf mich zeigte: „ Da ist ja schon der Nachfolger!“

Zum Thema „Spießigkeit“ von Alteingesessenen: So etwas beobachtet man speziell in kleinen Städten mit historischem Stadtrecht. Sie fühlen sich als was „Besseres“ als die Bewohner aus Nachbarorten. Diese Nachbarorte haben möglicherweise heute mehr Einwohner, jedoch kein Stadtrecht (oder erst in jüngerer Zeit). Zofingen ist ein historische Kleinstadt, aber das benachbarte Oftringen hat mehr Einwohner. Die hübsche Stadt Baden wurde bezüglich Einwohnerzahl von der Nachbargemeinde Wettingen überholt, und das historische Städtchen Bremgarten vom benachbarten Wohlen sogar erheblich. Von einem alteingesessenen Zofinger wird gesagt, daß er immer zum selben Bäcker (Metzger, Schneider, Velohändler, Schuster usw.) geht. Gewechselt wird nicht. Falls der Laden Betriebsferien hat, kauft man halt nicht bei der Konkurrenz ein. Zur Not fährt man dann lieber woanders zum Einkaufen (aber selbstverständlich nicht nach Oftringen). Wenn ein Geschäftsinhaber seinen Laden aufgibt und an den Sohn übergibt, bleibt man als „echter“ Zofinger dem Geschäft treu, ebenso wenn der Laden an einen anderen Zofinger Bürger übergeht. Aber wehe, der Laden gerät in die Hände eines Nicht-Zofingers oder gar eines Ausländers! Dann kauft man in einem anderen Zofinger Laden ein.

„Feindschaften“ benachbarter Orte kenne ich schon von früher. Die Bewohner der benachbarten Orte Rellingen und Halstenbek konnten sich nicht riechen. Mein Vater ist Rellinger und hätte nie eine Frau aus Halstenbek geheiratet (eine Frau aus der benachbarten Kreisstadt Pinneberg mußte „dran glauben“. Zwar haben meine Eltern zuerst in Pinneberg gewohnt (zur Miete im Haus der Eltern meiner Mutter), aber das Eigenheim meiner Eltern sollte unbedingt in Rellingen zu liegen kommen. Mein Vater hätte garantiert nicht in Halstenbek gebaut, selbst wenn die Grundstückspreise dort nur halb so hoch gewesen wären. Genauso würde ein „echter“ Halstenbeker nie nach Rellingen ziehen. Früher hatten die Rellingen einen Trumpf gegenüber den Halstenbekern: Die Rellinger konnten für immer um Halstenbek einen Bogen machen, während die Halstenbeker am Ende nach Rellingen mußten. Halstenbek hatte früher keinen Friedhof! Dabei sind sowohl Rellingen, als auch Halstenbek keine historischen Kleinstädte, sondern „nur“ Großgemeinden ohne Stadtrecht. Halstenbek hat heute mehr Einwohner, aber Rellingen hat die hübschere Kirche. Rellingen hatte bereits eine Kirche, als sogar die benachbarte Stadt Pinneberg noch keine hatte.

http://de.wikipedia.org/wiki/Rellinger_Kirche

Schöne Grüße
Michael aus Zofingen


Engel Offline




Beiträge: 1.438
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08.05.2012 00:33
#4 RE: Ein Interview für die Schule Zitat · Antworten

Ich hänge das jetzt mal hier dran, da ich zu beiden Posts von Michael was bezutragen habe.

1.
Also das war mal n richtig schöner Bericht über das Interview.
Da hat sich aber sicherlich auch der/die Lehrer/in was dabei gedacht. Nicht einfach über irgendwas schreiben, sondern auch mal darzustellen, und vor allem auch zu begreifen wie Leute sind die ausserhalb der Norm Leben wollen.
Wäre schön zu wissen welche "schrägen Vögel" von den Klassenkameraden interviewt wurden.
Wir hatten hier früher im Ort nen Einsiedler der allgemein nur "Knoblauch-Peter" genannt wurde, wohl weil er ziemlich viel davon aß. Er war n früherer Arbeitskollege von meinem Dad. Als mein Vater bei "Perrot Regnerbau" anfing war der schon fast in Rente.
Bei nem Arbeitsunfall rutschte ne ölige Blechtafel von ner palette und säbelte ihm das rechte Bein ab, weswegen er ne Prothese tragen musste und an Krücken ging.
Er zog sich nach dem Unfall von Allen zurück, kaufte sich ca 2Km von hier entfernt mitten in der Pampas n altes Holzbauernhaus und lebte fortan dort alleine.
Man sah ihn nur öfters an der Strasse entlang gehen, wenn er zum einkaufen ging. Selbst wenn er ins 5Km entfernte Calw wollte nahm er nie den Bus oder so, er lief immer.
Er trug lange weisse Haare und nen megalangen weissen Bart und hatte stets nen alten Wehrmachtsmantel an und ne alte Wehrmachtstaschenlampe (so eine wo man ne rote und ne grüne Scheibe vors Licht schieben kann) um falls es dunkel wurde.
Meinen ersten Kontakt zu ihm hatte ich als ich 13 war, da wollten wir ihm zu Weihnachten von der Schule aus n Ständchen singen und im n frohes Fest wünschen. Bei der Gelegenheit erwähnte ich ihm gegenüber das er wohl meinen Vater kenne und wir unterhielten uns kurz darüber.
Danach haben wir uns bei jedem Treffen immer gerne auf ne Bank gesetzt und ne weile geplaudert, wobei öfters mal ne Flasche Schnaps aus seinem Rucksack erschien und wir zusammen einen hoben .
Er war wirklich n sehr komischer Kauz und viele hier im Ort hielten ihn für verschroben und eigenartig. Aber ich habe ihn als sehr netten humorvollen Menschen kennen gelernt und war nach seinem Tode auch richtig traurig und betroffen.
Das war für mich wohl der anstoss niemanden nach seinem Aussehen zu beurteilen, sondern nach seinem Verhalten.

Da es ja "nur" ne Projektarbeit werden soll denke ich nicht das der Artikel in ner Schülerzeitung oder so erscheinen wird. Hättest Du eventuell die Möglichkeit ne Kopie der Arbeit zu bekommen? Es würde mich sehr interessieren wie hoch die jornalistischen Fähigkeiten der Mädels sind.

2.
Ja die "Fremdenfeindlichkeit" zwischen kleineren Orten ist mir auch sehr bekannt. Nur nicht von Erwachsenen, sondern unter Kindern. Man durfte sich damals beim spielen im Wald nur nicht von ner Gruppe Heumaderner, oder Neuhengstetter erwischen lassen, das gab meist immer ne fette Abreibung.

Gruß Engel




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Michael aus Zofingen Offline



Beiträge: 744
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12.05.2012 12:43
#5 RE: Ein Interview für die Schule Zitat · Antworten

Hallo Engel,

die Sache mit dem Interview für die Schule bleibt schulintern. Ob ich davon eine Kopie bekomme, kann ich nicht sagen. Als andere "schräge Sieche" (um es schweizerisch zu nennen) waren:

- ein männliches homosexuelles Paar
- Mitglieder einer Jugendgruppe mit ebenfalls mit gerade unauffälliger Kleidung (EMU, soviel ich weiß)
- eine ältere Frau mit sehr langen weißen Haaren, die in der Zofinger Altstadt einen kleinen Laden besitzt

War "Knoblauch-Peter" bereits vor seinem Unfall anders als andere? Oder wurde das ganze erst durch den Unfall ausgelöst? In der Tat werden doch heute (und wurden schon früher) Leute mit irgendeinem "Gebrechen" mehr diskriminiert als andere. Und diese Diskriminierung konnte sich in verschiedenen Formen auswirken: Mobbing am Arbeitsplatz, Gehänsel in der Schule, bevorzugte Zielgruppe für Handtaschenräuber, Skinheads usw., vermehrte Kontrollen durch Polizeischergen, schäbigere Behandlung bei ersteren durch letztere, höhere Bestrafung bei Bagatelldelikten, per ungeschriebenes Gesetz erlassenes Verbot zum Tragen gewisser bedeckungsarmer Kleidungsstücke. Schon gewisse Abweichungen vom "Schönheitsideal" werden quasi "Gebrechen" gleichgesetzt. Und verschiedene Dinge werden als Gebrechen angesehen, die Grenze zwischen "Gebrechen" und "Nicht-Gebrechen" kann sich auch von Zeit zu Zeit ändern. Früher war das Tragen einer Brille ein Makel, speziell für junge Frauen: Manche junge Frau ging lieber "blind" durch die Welt als daß sie sich mit einem "Nasenvelo" verunstaltete. Diese Zeiten sind zum Glück vorbei, manche Frau ohne jegliche Sehbeeinträchtigung trägt sogar eine Brille, und wenn nur eine modische Sonnenbrille ist, die bei trübem Wetter nicht vor den Augen getragen wird. Mich würde es überhaupt nicht überraschen, wenn ein sportlicher Mensch, der bei Temperaturen um +10°C barfuß und in kurzen Hosen unterwegs ist, weniger oft von Vertretern der Obrigkeit schikaniert wird als einer in der gleichen Kleidung, jedoch das eine Bein mit Krampfadern übersät, das andere eine hölzerne Prothese. Würde Gerolds Arbeitgeber gegenüber einem Menschen mit Beinprothese genauso tolerant sein bzl. Tragen von kurzen Hosen wie gegenüber Gerold? Oder würde er sagen, daß der Anblick eines Holzbeins für andere eine Zumutung ist? Wieso eigentlich? Tische und Stühle tragen ja auch keine langen Hosen und sind barfuß bis zum Hals, nein, sogar mindestens bis zur Hutkrempe/zum Mützenschirm, wenn man eine Tischdecke als Mütze bzw. Hut bezeichnet.

Genau aus diesem Grunde trauen sich manche Leute mit Gebrechen nicht unter die Leute (scheinbar) ohne Gebrechen. Ein Beispiel war meine Großtante Paula. Als sie um 1950 eine Zahnprothese bekam und ca. 3 Wochen lang ohne jegliche Zähne war (damals war die Technik noch lange nicht soweit wie heute, man sagte auch noch "Gebiß"), traute sie sich nicht mehr an die Wohnungstür. Fremde Leute durften sie nicht ohne Zähne sehen. Irgendwie spießig.

Auch innerfamiliär gab es Fremdenfeindlichkeit. Als meine Mutter noch ein Kind war und mit ihren Eltern Verwandte in Hamburg besuchte, wunderte sie sich, daß ihre Cousine nicht mit einer Cousine spielen durfte, die im Nachbarhaus wohnte. Die Antwort meines Großvaters zu meiner Mutter: "Das sind Bambusen, mit denen spielt man nicht!"

Schöne Grüße
Michael aus Zofingen


Markus U. Offline




Beiträge: 1.958
Punkte: 794

12.05.2012 14:20
#6 RE: Ein Interview für die Schule Zitat · Antworten

Zitat von Michael aus Zofingen
War "Knoblauch-Peter" bereits vor seinem Unfall anders als andere? Oder wurde das ganze erst durch den Unfall ausgelöst? In der Tat werden doch heute (und wurden schon früher) Leute mit irgendeinem "Gebrechen" mehr diskriminiert als andere. Und diese Diskriminierung konnte sich in verschiedenen Formen auswirken: Mobbing am Arbeitsplatz, Gehänsel in der Schule, bevorzugte Zielgruppe für Handtaschenräuber, Skinheads usw., vermehrte Kontrollen durch Polizeischergen, schäbigere Behandlung bei ersteren durch letztere, höhere Bestrafung bei Bagatelldelikten, per ungeschriebenes Gesetz erlassenes Verbot zum Tragen gewisser bedeckungsarmer Kleidungsstücke.



Hi Michael,

ich bin immer wieder entrüstet ob solcher Verhaltensweisen und frage mich, woher so etwas kommt. Eine mögliche Erklärung besteht darin, daß Menschen mit Gebrechen zum einen schon wegen ihrer körperlichen Konstitution weniger als andere in der Lage sind, sich gegen gewalttätige Übergriffe zu wehren. Zum anderen kommt wohl hinzu, daß sich gesunde Menschen vielleicht "provoziert" fühlen, gemahnt doch der Anblick eines gebrechlichen Menschen schmerzlich an die eigene Hinfälligkeit, Verletzlichkeit und Sterblichkeit.

Zitat von Michael aus Zofingen
Mich würde es überhaupt nicht überraschen, wenn ein sportlicher Mensch, der bei Temperaturen um +10°C barfuß und in kurzen Hosen unterwegs ist, weniger oft von Vertretern der Obrigkeit schikaniert wird als einer in der gleichen Kleidung, jedoch das eine Bein mit Krampfadern übersät, das andere eine hölzerne Prothese.



Das kann ich nicht glauben, denn Du bist doch selbst der Beweis des Gegenteiles, weil gerade Du als sportlicher Mensch, der bei Temperaturen um +10° C (und weniger) barfuß und mit kurzen Hosen unterwegs ist, häufiger kontrolliert wirst als jeder andere (hier schreibende) Barfußläufer. Es ist nämlich wirklich eine bemerkenswerte sportliche Leistung, mit dem Velo von der Schweiz bis in den Kölner Raum oder sogar noch weiter entfernte Gebiete vorzudringen. Schon "mal eben" von Zofingen nach Basel zu radeln, dürften nicht allzu viele schaffen.

Zitat von Michael aus Zofingen
Auch innerfamiliär gab es Fremdenfeindlichkeit. Als meine Mutter noch ein Kind war und mit ihren Eltern Verwandte in Hamburg besuchte, wunderte sie sich, daß ihre Cousine nicht mit einer Cousine spielen durfte, die im Nachbarhaus wohnte. Die Antwort meines Großvaters zu meiner Mutter: "Das sind Bambusen, mit denen spielt man nicht!"



Ob man das als "Fremdenfeindlichkeit" bezeichnen kann, weiß ich nicht, denn gerade bei innerfamiliären Animositäten ist oft ein Zerwürfnis in der Vergangenheit der Grund. Ich habe ebenfalls eine Kuhsine (absichtlich so geschrieben), mit der ich nicht rede (und wenn es unbedingt sein müßte, würde ich sie wie eine Fremde mit "Frau H." anreden und siezen), weil sie mich schwer gekränkt hat.

Barfüßige Frühlingsgrüße,
Markus U.


Michael aus Zofingen Offline



Beiträge: 744
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12.05.2012 16:59
#7 RE: Ein Interview für die Schule Zitat · Antworten

Zitat von Markus U.

Zitat von Michael aus Zofingen
Mich würde es überhaupt nicht überraschen, wenn ein sportlicher Mensch, der bei Temperaturen um +10°C barfuß und in kurzen Hosen unterwegs ist, weniger oft von Vertretern der Obrigkeit schikaniert wird als einer in der gleichen Kleidung, jedoch das eine Bein mit Krampfadern übersät, das andere eine hölzerne Prothese.



Das kann ich nicht glauben, denn Du bist doch selbst der Beweis des Gegenteiles, weil gerade Du als sportlicher Mensch, der bei Temperaturen um +10° C (und weniger) barfuß und mit kurzen Hosen unterwegs ist, häufiger kontrolliert wirst als jeder andere (hier schreibende) Barfußläufer. Es ist nämlich wirklich eine bemerkenswerte sportliche Leistung, mit dem Velo von der Schweiz bis in den Kölner Raum oder sogar noch weiter entfernte Gebiete vorzudringen. Schon "mal eben" von Zofingen nach Basel zu radeln, dürften nicht allzu viele schaffen.




Hallo Markus,
im Grunde genommen bin ich gar nicht sportlich. Im Schulsport war ich immer schlecht. Und wie der "typische" Sportler sehe ich auch nicht aus, weder von der Form, noch von der Kleidung (so würde etwa ein "richiger" Sportler (und auch jeder Mensch, der Sportlichkeit vortäuschen will, der sowohl ein Läufer, als auch ein Radfahrer, als auch ein Tennisspieler ist, bei jeder Sportart die dazu passende kurze Hose tragen und nicht für jede Disziplin dieselbe). Weder die Leute, die mich anschwärzen, noch die mich kontrollierenden Polizeischergen, sind die ganze Zeit hinter mir hergefahren, während ich "mal eben" von Zofingen nach Basel gefahren bin. Meistens haben sie mich nur kurze Zeit gesehen. Und wenn ich auf den letzten Kilometern vielleicht schon ziemlich erschöpft aussah, wissen sie nicht, was ich schon hinter mir habe. Mit anderen Worten: Einer, der mich nicht kennt, traut mir so etwas nicht zu.

Hinzu kommt, daß ich nicht gerne aufgebe. Zwar würde ich aufgeben, wenn ich die Gefahr von Gesundheitsschäden sehe, nicht jedoch, wenn ich hinke, aber einschätzen kann, daß ich ohne weitere Schäden nach Hause kommen. Was andere Leute dabei denken, interessiert mich nicht. Und "aufgeben" ist manchmal einfacher gesagt als getan. Anders als bei Kanalschwimmern usw. ist bei mir ja keine Begleitperson mit Boot oder 4rad in der Nähe, die mich aufsammelt (ich habe nicht einmal ein Handy, mit dem ich Leute anrufen könnte). Und sicher würde ich, wenn ich etwa noch 5 km (zu Fuß) nach Hause habe, bei Erschöpfung zur nächsten, ca. 3 km entfernten (und in der entgegengesetzten Richtung liegenden) Bushaltestelle gehen, dann lange Zeit auf einen Bus warten, und dann auf Umwegen mit Offtopic-Fahrzeugen nach Hause fahren.

Es schein "menschlich" (im Tierreich gibt es sowas wohl nicht) zu sein, daß jemand, der in irgendeiner Form mit sich selbst unzufrieden ist, plötzlich befriedigt ist, wenn er jemand sieht, den er für schlechter hält.
Der Spruch "Unter den Blinden ist der Einäugige König" trifft wohl den Nagel auf den Kopf. Man beobachtet es bei schlecht qualifizierten oder schlecht bezahlten Personen auch öfters, daß sie gegenüber (ihrer Ansicht nach) "minderwertigem Menschenmaterial" (z.B. Penner, Invaliden, Homosexuellen, "Negern") besonders schäbig sind, während sie gegenüber "besseren" Leuten enorm obrigkeitshörig sind. Auch fällt mir hier eine Frau ein. Sie selber hat "nur" mittlere Reife, ihr Mann hat das Abitur nicht geschaft. Sie war neidisch auf ihre jüngere Schwester, die studiert hat und einen Professor als Mann gefunden hat. Die Hoffnung, daß zumindest der Sohn aus der "Arbeiterfamilie" mal was besseres werden würde, erfüllte sich nicht: bereits die zweite Grundschulklasse mußte er wiederholen. Dann bekam auch die studierte Schwester ein Kind von ihrem Professor, dieses war geistig behindert. Darüber hat sich die neidische Frau aber gefreut.

Nachdenkliche Grüße
Michael aus Zofingen


Engel Offline




Beiträge: 1.438
Punkte: 666

12.05.2012 18:30
#8 RE: Ein Interview für die Schule Zitat · Antworten

Hi Michael,
der "Knoblauch-Peter" war schon immer etwas sonderlich, oder eher gesagt kauzig. Erst nach seinem Unfall hat er sich vollends von seinen Mitmenschen zurück gezogen. Vielleicht hatte er schon immer vor ein Eremitenleben zu führen und hat es durch seine, leider sehr unglücklich entstandene "Unabhängigkeit" in die Tat umgesetzt.
Ich fand ihn Zeit seines Lebens immer recht sympathisch und konnte mich mit ihm auch sehr angeregt unterhalten.
Mit der Polizei hatte er nie Probleme, jeder kannte ihn und wusste, der läuft eh nur durch die Gegend und tut niemandem etwas, eher wollte er von jedem in Ruhe gelassen werden.

Gruß Engel




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Michael aus Zofingen Offline



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08.06.2012 06:23
#9 RE: Ein Fototermin für die Schule Zitat · Antworten

Gestern Abend kamen die beiden Schülerinnen noch einmal bei mir zu Hause vorbei, um ein paar Fotos zu schießen für das Schulprojekt. Es war sommerlich heißes Wetter kurz vor dem Gewitter. Ich war natürlich barfuß und trug als einziges Kleidungsstück eine kurze Hose. Auch die Schülerinnen waren leichter bekleidet als beim ersten Termin. Beide trugen ärmellose Oberbekleidung und Ballerinas, die eine in Kombination mit einer echten kurzen Hose und keinerlei Strumpfwerk, die andere in Kombination mit langen schwarzen Leggings und Nylons.



Beide Schülerinnen hatten nicht-malo-konforme Kameras dabei. Sie machten Aufnahmen, wie ich auf dem Balkon auf einem Stuhl saß, wie ich auf dem Balkon stand und wie ich mit dem Velo über den Rasen fuhr. Vor allem letzteres mochten sie wohl gerne fotografieren. Was wohl die spießigen Nachbarn gedacht haben, wie ich mit dem Velo unter der Gartenschaukel wie durch einen Torbogen fuhr?



Die Projekte sollen in einer Woche in der Schule ausgestellt werden, und mir wurde gesagt, daß ich sie mir auch ansehen können. Der genaue Termin werde mir noch mitgeteilt. Wenn es mir zeitlich paßt, werde ich sicher dorthin fahren, selbstverständlich barfuß und in kurzen Hosen (aber mit Oberbekleidung). Vielleicht kann ich dort auch ein paar Barfuß- und Kurze-Hosen-Flyer auslegen.



Schöne Grüße

Michael aus Zofingen


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