Hallo,
nachdem meine allzu rosaroten Erwartungen an Neuseeland sich ja in der Realität als ein Märchen aus alten Zeiten entpuppten, wurden meine rabenschwarzen Barfuß-Erwartungen an Kanada dagegen voll erfüllt:
Im amerikanischen Forum schreibt Anemone aus Montreal wiederholt über ihre Probleme mit der dortigen Verkehrsgesellschaft; insofern war ich also schon vor meiner Landung in Vancouver vorgewarnt: Nach dem Langstreckenflug traf ich bekompresssionsstrumpft und fett beschuht ein, und kam daher nicht mit den Beförderungsbedingungen in Konflikt, die auch in Vancouver Hemd und Schuhe vorschreiben, wie in der verteilten Übersichtsbroschüre zu finden.
Nach in Neuseeland total durchgelatschtem Quergewölbe meiner Spreizfüße verband ich das Unangenehme mit dem Geforderten und benutzte die Verkehrsmittel beschuht wie vorgeschrieben.
Nach 2 Tagen begann meine große Bahnfahrt: In 4 Tagen nach Toronto, und nach einigen Stunden Aufenthalt gleich wieder zurück. Schon beim ersten Gang zum Speisewagen im Zug passierte das Erwartete: Statt mich zu platzieren, wurde mir der Zugang verweigert: „Sie müssen hier Schuhe anhaben!“ objektiv wurde die Gefahr für meine Sicherheit eher vergrößert: Statt mich barfuß zu bedienen und Schuhe für das nächste Mal zu fordern, mußte ich den barfüßigen Rückweg hungrig antreten und dann noch 2 weitere Gänge Speisewagen - Abteil in für mich unsicheren und stolpergefährlichen Flipflops absolvieren. Es erfolgten dann auch penetrante Durchsagen, man müsse immer Schuhe anhaben, wenn man sich durch den Zug bewege. Dieser Logik folgend, zog ich sie also während des Essens immer aus, Dies fiel einmal jemand auf und er fragte mich, ob ich meine Schuhe dabei hätte, was ich bejahte. Antwort: Er wolle nur sichergehen – eine Aufforderung zum sofortigen Anziehen erfolgte aber nicht. Auch der erste Versuch, den Aussichtswagen 2 Wagen weiter von meinem Abteil barfuß zu erreichen, wurde sogleich beim ersten Versuch im Keim erstickt: Genau wie beim Speisewagen wurde ich kurz vor dem Ziel zurückgeschickt – und so zu 2 weiteren beschuht für mich unsicheren Gängen durch den Zug gezwungen.
Nach diesen Erfahrungen verließ ich mein Abteil zum Gang in Speise- oder Aussichtswagen also in Flipflops um sie dann am Ziel auszuziehen. Auch beim zwischenzeitlichen Gang auf die Toilette im Ausssichtswagen „vergaß“ ich meine Flipflops regelmäßig am Platz, was aber (nicht auffiel und daher?) nicht bemängelt wurde.
Aus alten (beschuhten) Zeiten baute sich in etlichen Fahrten mit Amtrak ein Feindbild auf: BNSF – die Eisenbahngesellschaft, deren Güterzüge in den USA immer Vorfahrt hatten und zu stundenlangen Verspätungen führten. Bei Viarail in Kanada gab es das gleiche, bzw. sogar dasselbe: Bis zu einer Stunde mußten wir auf Güterzüge der CN warten deren Strecke wir befuhren! In den Zügen waren immer auch etliche Wagen mit der Aufschrift BNSF zu sehen; bei einem Gespräch mit einem Mitreisenden dann die Erklärung: CN und BNSF (vor Jahren aus BN und SF hervorgegangen) hätten mittlerweile fusioniert – also wirklich derselbe Übeltäter… Trotz pünktlicher Abfahrt kamen wir mit über 10stündiger Verspätung im über 3000km entfernten Toronto an – was relativ gesehen immer noch viel pünktlicher ist, als fast 5h Verspätung von London nach Mainz. (Es gab noch einen Riesenstau von Güterzügen, da die Strecke nach 2 schweren Entgleisungen mit Explosionen und Bränden – mitten im Wald, daher auch vielen mitreisende Kanadiern unbekannt und in den Medien totgeschwiegen – wochenlang gesperrt war.) Insofern scheint also kein großer Unterschied zwischen amerikanischen und kanadischen Bahnen zu bestehen…
Die Leistung auf der Rückfahrt konnte sich dann aber sehen lassen: Trotz 2,5h Abfahrtsverspätung in Toronto, Lok- und daher Strom- und Heizungsausfall (bei anderen auch noch Klo-Ausfall), Warten auf Ersatzlok, vieler Güterzüge, … kamen wir mit nur 4h Verspätung wieder in Vancouver an – angesichts der langen Strecke von weit über 3000 km gar nicht so schlecht…
Nun schnell zum Schluß: Vor und nach der Zugfahrt in Vancouver (und auch nicht in Toronto zwischendurch) fiel mir mehr als 10 Meter vom Strand auch nur ein einziger Barfüßer auf.
Gruß
Leo