vor kurzem war Dominik bei uns zu Besuch, und wie nicht nur unter Barfüssern üblich, tauschten wir uns über allerlei aus, was uns so einfiel. Natürlich auch Urlaubserlebnisse. Dabei fiel er mir wieder ein: der Drache von La Ciotat.
La Ciotat ist ein Badeort an der südfranzösischen Küste und liegt etwa eine halbe Autostunde östlich von Marseille entfernt. Wir waren in einer Ferienwohnung ein paar Kilometer weiter. In La Ciotat deckten wir uns mit allem ein, was Urlauber so brauchen.
Obst und Gemüse gab es oft unterwegs auf dem Markt, Wein kaufte Leo in einer kleinen Kelterei der Region. Nie sprach uns einer an, dass wir barfuss waren. Bei mir hätte es eh wenig Sinn gehabt, denn meine französischen Sprachkenntnisse waren vor einem Jahr noch sehr minimal.
Immerhin konnte ich da schon alleine beim Bäcker unsere Baguette und Croissants holen, und war ganz stolz, auf dem Markt Tomaten und Petersilie erstanden zu haben ohne dass es zu grösseren Komplikationen kam. Vor allem weil ich am Anfang gelegentlich das Zauberwort s’il vous plaît – viel wichtiger als unser „bitte“ vergessen hatte. Die Franzosen nahmen es mit Humor, und mich ein bisschen unter ihre Fittiche beim Versuch ihre Sprache zu lernen.
Auch in La Ciotat, in den meisten Supermärkten war es so. Bei einem der grossen Filialisten, die ursprünglich aus Deutschland kommen machten sie uns sogar darauf aufmerksam: Vorsicht da ist es nass, es könnte rutschig sein. Ein Grund mehr, dass wir da meistens einkauften. Hauptsächlich wohl aber wegen dem Angebot an Käse, davon vor allem Ziegenkäse zu einem Preis von dem wir in Deutschland nur träumen konnten.
An einem verregneten Tag dachten wir, doch mal den anderen Filialisten aufzusuchen, der etwa ein bis zwei Kilometer vor unserem Stammladen war. Ziegenkäse und Lammkotelett hatten wir noch reichlich, so wollten wir mal sehen was dieser Supermarkt noch an regionalen Leckereinen im Sortiment hatte.
Mit triefnassem Regenponcho schoben wir unseren Einkaufswagen durch den ersten Gang zwischen den Regalen, da kam er angerauscht: der Drache von La Ciotat. Genau genommen war es kein Drache, sondern eine Furie die wild mit den Händen fuchtelnd auf uns zubrauste und im Slang, wie er im Umkreis von Marseille üblich ist, auf Leo einfauchte. Fauchen trifft es durchaus, denn die Frau, vermutlich die Filialleiterin, hatte ein ziemlich lautes Stimmorgan. Ihr Wortschwall verhiess mir nichts Gutes. Viel verstand ich ja nicht, doch soviel war klar: es passte ihr nicht dass wir barfuss waren. Angesichts des Tonfalls liessen wir den Einkaufswagen einfach an Ort und Stelle stehen (es war mal ausnahmsweise kein Euro drin) und verliessen diesen ungastlichen Laden. Unsere Einkäufe tätigten wir später in unserem Stammgeschäft, wo die Mitarbeiter wie immer höflich und zuvorkommend waren.
Noch ein Wort zum barfüssigen Einkaufen in Südfrankreich. In manchen Geschäften, wie in dem wo wir später auch weiterhin immer unseren Bedarf deckten, sind die Menschen sehr freundlich. In anderen wird es zumindest toleriert, ohne viel Aufhebens. Es gibt auch tatsächlich Ladenketten wo barfuss nicht gerne gesehen ist. Auch das hatten wir: ein Mitarbeiter eines anderen Geschäftes kam einmal ganz ruhig und freundlich auf uns zu und bat ebenso freundlich wir mögen doch bitte Schuhe anziehen. Er sei nur von der Security, und er habe die Vorschrift ja leider nicht gemacht. Wie geschrieben – sehr höflich, und schon gar nicht fauchend. Und mit dem Zauberwort s’il vous plaît. Das hatte der Drachen von La Ciotat nicht im Wortschatz.
es grüsst euch, heute aus dem Voralpenland
Gabriel