https://www.ovb-online.de/rosenheim/wass...e-11737630.html
"Barfuß auf einen Legostein treten – autsch, wie unangenehm. Mit bloßen Füßen über Schotterstraßen gehen – da gibt es auch Schöneres. Zum Beispiel ohne Schuhe auf den Geigelstein wandern und in der Priener Hütte Rast machen. Michael Köhldorfner aus Schnaitsee macht das so. Der Zimmerermeister geht Sommer wie Winter barfuß.
Schnaitsee – Die Fußsohle von Michael Köhldorfner ist weich. Fast zart, wenn man darüber streicht. Nur an den Fersen hat er ein paar Schrunden. „Das kommt vom Streusalz“, erklärt der 51-Jährige. Davon bekommt seine „Ledersohle“ Risse. Mit Vaseline oder Kokosöl pflegt er dann seine Füße. Aber nur, wenn es sein muss.
Manchmal zieht er sich kleine Verletzungen zu, wenn der Untergrund scharfkantig ist. Regelmäßig tritt er sich einen Reißnagel ein, „Je nach Stelle und Dicke der Lederhaut merke ich das manchmal erst ein paar Tage später, ein anderes Mal zwickt es gleich“, lacht er. Ob er das ernst meint, lässt sich schwer einschätzen, der Mann hat Witz und Charme.
Das ist nun sein dritter Barfuß-Winter. Er steigt aus dem Firmenwagen aus, stapft durch den Schnee und betritt sein Baumhaus, das an seinem Firmensitz auf einer imposanten Eiche thront.
Hier empfängt er Kunden, seine Mitarbeiter verbringen ihre Pausen und ein Caterer richtet Events in dem ungewöhnlichen Bau aus.
Barfuß steigt er die hölzerne Außentreppe hinauf und schreitet über die Holzdielen. Die Kälte, der Schnee – das macht ihm nichts aus.
Gesundheitliche Gründe haben ihn dazu bewogen, die Schuhe in die Ecke zu stellen. Der ehemalige leidenschaftliche Marathonläufer hat sich seine „Achillessehnen kaputt gelaufen durch den Extremsport“, wie er erzählt.
Zehn Jahre hatte er Schmerzen, langes Gehen musste er am nächsten Tag übel büßen. „Ich hab nichts dagegen gemacht, oder aber das verkehrte, bin von Pontius zu Pilatus, besorgte mir orthopädische Einlagen.“ Sein Heilpraktiker Anton Zunhammer aus Halfing brachte ihn vor acht Jahren aufs Barfußlaufen. Zuerst gewöhnte er sich an „Barfußschuhe“, ohne Fußbett, Einlage oder Absatz – damit sich die Füße umgewöhnen. Und sich die Bewegung des Sprunggelenks stabilisiert.
Seither nicht mehr krank geworden
Ein Fuß hat 26 Knochen, viele Muskeln und Sehnen. Beim Gehen in normalen Schuhen kommen nur wenige Fußmuskeln zum Einsatz. Der Grund ist die steife Sohle – vergleichbar mit einer Gipsschiene, die enorm einschränkt und die Bewegungsfähigkeit des Fußes behindert.
Nach einem Jahr lief er den Sommer über barfuß oder trug seine Barfußschuhe. Einzige Ausnahme: In die Kirche ging er in Haferlschuhen – „aus Pietätsgründen. Ich wollte nicht dass es heißt, ,jetzt rennt der a scho barfuß in d‘Kirch‘, wollte nicht provozieren“, sagt er.
Schritt für Schritt nahm er auch die kalte Jahreszeit in Angriff. Im ersten Winter bekam er noch einen Schnupfen. Seither war er nicht mehr krank, so gut abgehärtet habe ihn dieser Lebensstil inzwischen.
Die Fußsohle sei dran gewöhnt. „Wenn jemand meinen Fuß anfasst, ist er kalt. Aber ich fühle die Kälte nicht.“ Durch Schnee zu stapfen sei kein Problem. Frostig werde ihm nur, wenn der Schnee zu lange auf seinen Fußrücken fällt. „Wenn ich ein oder zwei Stunden Schnee schippe, schlupfe ich barfuß in einen Stiefel, damit ich nicht auskühle.“ Lange hält er es da drin aber nicht aus – die Druckstellen an den Fersen machen ihm dann zu schaffen.
Michael Köhldorfner geht auch barfuß in die Berge – bis zur Schneegrenze. Lästig sei nur der Einstieg eines Wanderweges, wenn man von einer Schotterstraße aus startet. Die kleinen Steine sind alles andere als angenehm. „Man geht einfach bewusster, achtet auf jeden Schritt, erkennt scharfe Kanten und ist reaktionsschneller“, ist er überzeugt.
Seine Sohle gibt ihm sofort Rückmeldung. So lässt er sich auf das Material ein, auf dem er unterwegs ist. Gibt es auf der Schotterstraße einen Wiesenstreifen, dann nutzt er natürlich lieber den. Masochist ist er nicht. Bewegt er sich im Gebirge auf felsigen Partien, läuft Köhldorfner auf den Fußballen.
Barfuß unterwegs zu sein, bedeutet für den Zimmerermeister, die Natur bewusster zu erleben. Man wird robuster. Und gesünder, so seine Erfahrung.
„Manchmal werde ich gefragt, wenn ich ohne Schuhe, eine öffentliche Toilette betrete, ob ich das nicht als unhygienisch empfinde. Ich hab kein Problem damit. Mein Fuß ist ja sofort wieder an der frischen Luft, wenn ich dann rauskomme und über eine Wiese oder durch Schnee laufe. Probleme mit Pilzbefall kenne ich nicht. Das ist in feuchten, warmen Schuhen ganz was anderes.“
Füße in Freiheit – wie damals als Bub
Neukunden, die ihn noch nicht kennen, staunen, wenn er ohne Schuhe zu einem Termin erscheint. Dann erklärt er‘s kurz. „Ich höre dann oiwei ,des is g‘sund, gell‘ mit neidischem Unterton“, erzählt er verschmitzt. Oder dass sie als Kinder auch gern barfuß unterwegs waren. So wie Michael Köhldorfner. Im Sommer trägt er am liebsten eine kurze Krachlederne und seine Füße in Freiheit, „wie damals als Bua“.
Der kreative Kopf mag keine Konventionen, auf Reglementierungen oder gar Kleiderordnungen pfeift er. „Ich mag nicht eingeschränkt sein, darum kommen Krawatte und Lackschuhe niemals in Frage.“ Das würde auch nicht passen, zu dem legeren und griabigen Barfußgeher."