Guten Abend,
heute war in de Schweiz alles andere als winterliches Wetter. Also entschloß ich mich, nach Basel zu radeln. Gegen 8.30 Uhr radelte ich los. Es war zwar noch ziemlich frisch, aber mit Jacke, kurzen Hosen und ohne Schuhe war es durchaus auszuhalten. In Birsfelden war es so warm, daß ich die Jacke ausziehen mußte. Einige Jogger trugen auch kurze Hosen (aber alle Turnschuhe).
Mein erstes Ziel war das Postamt in der Großen Kreisstadt Weil am Rhein, um im Postsparbuch was nachtragen zu lassen, damit ich die Steuererklärung endlich abschließen kann. Als ich den Platz erreichte, wo die Post sonst war, mußte ich feststellen, daß sie umgezogen war. Also radelte ich zum jetzigen Standort. Die Poststelle befindet sich mitten in einem Kaufhaus. Weder im Kaufhaus selbst, noch in der Poststelle gab es negative Reaktionen. Einige Kinder vor dem Gebäude dagegen machten große Glotzaugen.
Dann radelte ich nach Basel selbst. Es gab einige wenige Leute, die eine Art kurze Hosen trugen, aber immer in Kombination mit fetten Schuhen und Socken. Auch der Münsterfährmann trug Schuhe. In einem Straßenrestaurant hatte eine Frau ihre Wanderschuhe ausgezogen und saß dort sockig. Ausgerechnet am Barfüßerplatz hörte ich ein Kind sagen: „Der Mann ist ja barfuß!“
Beim Rathaus hörte ich, wie jemand meinen Namen rief. Es war ein früherer Mitarbeiter (Chemiker im Verkauf) aus der Firma, in der ich arbeite. Dann aber wechselte er in ein Basler Unternehmen, und nun sitzt er auf der Straße. Wir unterhielten uns nur über jetzige Zustände in der Firma, meine Aufmachung war kein Thema. Weder ihn, noch seine Frau, die ich vorher nie gesehen hatte, schien meine Kleidung nicht zu überraschen. Dann tauchte auch noch ein älteres Paar auf. Als sie weggingen, sagte mein Bekannter, daß es sich um seinen früheren Divisionsleiter handelte, der aber auch mittlerweile was anderes macht. Auch den ehemaligen Divisionsleiter störte meine Aufmachung nicht.
Ich radelte weiter. nach einem Abstecher über Oberwil gelangte ich nach Binningen, wo ein Fasnachtsumzug war. Es gab etliche Kinder und Jugendliche, die etwas erstaunt waren über meine Aufmachung, manchmal fiel das Wort „barfuß“. Beim Fasnachtsumzug war niemand barfuß. Es waren sogar etliche Narren in Dreiviertel-Hosen, andere auch in kurzen Hosen. Aber meines Erachtens „gildet“ es nicht, wenn man darunter dicke Strümpfe trägt, so daß das gesamte Bein von Stoff überdeckt ist. Viele Narren trugen übrigens Holzschuhe, manche hatten sie auch ausgezogen, wenn sie auf dem Umzugwagen saßen und die Beine über die Wandung baumeln ließen (oder hatten sie sie verloren?).
Am besten fand ich, wen überrascht es, einen Fasnachtswagen, der den Titel „Tango nach Südafrika“ trug. Soll man etwa barfuß bis nach Südafrika tanzen? Nein! Ein Tango ist nämlich nicht nur ein Tanz, sondern auch der Name eines relativ neuen Offtopic-Fahrzeugtyps, der auf den BLT-Tramlinien eingesetzt wird. Der Fasnachtswagen war auch einem gelben „Tango“ nachempfunden. Ulkig empfand ich, daß sich der Tango wie alle Fasnachtswagen auch über die Gleise im Binninger Zentrum bewegte, auf der normalerweise nur grüne BVG-Tramzüge verkehren (während des Umzugs fuhren dort keine Trams). Das Tram, aus dem ich am Stephanstag wegen barfuß und kurzen Hosen von der Polizei geholt wurde, war übrigens eine gelbes BLT-Tram, allerdings kein Tango.
Dann sah ich noch den Chef der Qualitätssicherung aus unserer Firma (er wohnt in Binningen). Ich glaube aber nicht, daß er mich gesehen hat (ich weiß gar nicht einmal, ob er mich persönlich kennt). Auch weiß ich nicht, ob es ihn interessiert, welche Kleidung wer in der Freizeit trägt (er selber trug beim Umzug auch keine Krawatte, allerdings lange Hosen – und Schuhe). Eines aber ist sicher. Er hat höchstpersönlich dafür gesorgt, daß bei uns in den Labors, Fabrikationseinrichtungen usw. eine bestimmte Anzugsordnung herrscht, incl. Schutzbrille, Helm usw. Ihm ist es also zu verdanken, daß ich am Arbeitsplatz geschlossene Schuhe und lange Hosen neben weiteren „Kotz-Würg-Dingen“ tragen muß. Wobei mir im Klaren ist, daß er nicht aus reiner „Beamtenwillkür“ gehandelt hat.
Gegen 16 Uhr verließ ich Binningen und radelte über Basel und den Hauensteinpaß (zur Abfahrt vom Paß mußte ich wieder eine Jacke überziehen) nach Hause. Ein schöner Tag ohne lange Hosen und ohne Schuhe ging zu Ende. Ohne Verletzungen durch Glasscherben, Stacheldraht, Splitt, Brombeerranken, ohne Erfrierungen und – oh Wunder: ohne Polizeikontrollen!
Schöne Grüße
Michael aus Zofingen