Samstag,26.11.2011: Am Nachmittag brach die Sonne durch die Wolken, so daß ich nach Erledigung der Einkäufe noch mit dem Velo an die Aare fuhr. Nein nicht zum Baden, denn die Luft war so kalt, daß ich zwar barfuß und in kurzen Hosen mich draußen aufhalten konnte, aber ich benötigte eine Jacke. Ich fuhr auch tatsächlich dorthin, wo ich im Sommer zum Baden fahre, und zwar sowohl zur Copacabana Ruppoldingiensis, als auch ins Naturschutzgebiet „bei den Bibern“. Der Sandstrand war kühl, der Schlamm war angenehm.
Als die Luft etwas kühler wurde, radelte ich am Aareufer entlang nach Aarburg und stellte das Velo bei dem Schulhaus „Hofmatt“ ab. Ich wollte nämlich zum Weihnachtsmarkt im Städtchen, der wie immer am Samstag vor dem ersten Advent ist und unter dem Motto „Aarburg leuchtet“ steht. Hauptattraktion (für mich) ist, wenn nach dem Eindunkeln Papierschiffchen mit Kerzen auf der Aare zu Wasser gelassen werden. Aber es war noch lange nicht dunkel, trotzdem traf das Motto schon jetzt zu: Die doppeltürmige Kirche und die dahinterliegende Festung leuchteten in den Strahlen der untergehenden Sonne!
Ich begab mich zu dem Platz vor dem Rathaus, wo Ställe aufgestellt waren mit verschiedenen lebenden Tieren: 3 Ziegen, 2 Schafe, 2 junge Rindsviecher, 3 Hühner und 2 Chüngel. Auch (Menschen-)kinder durften diese Ausläufe betreten (außer die der Hühner). Während die Kinder ohne Ausnahme fett beschuht und ohne Ausnahme nicht bluttbeinig waren, waren die Tiere ohne Ausnahme barfuß und kümmerten sich einen Dreck um die 2c-Regel. Manche Kinder machten große Glotzaugen, als sie meine Nichtschuhe und meine recht hoch liegenden Hosensäume sahen. Dann ging ich über den Markt selbst mitten in der historischen Altstadt. Manches Mal hörte ich „Oh Gott!“ Ich merkte auch, daß der Anteil von Analphabeten in Aarburg nicht gerade übermäßig hoch war, denn immerhin konnten sie das „Schuhe? Nein danke“-Schild, das ich am Rucksack trug, korrekt vorlesen. Manche Schüler stellten die obligatorische K-Frage. Bekannte Personen sah ich nicht, keinen Arbeitskollegen, keinen fett beschuhten Flößer, auch niemanden, den ich vielleicht an der Copacabana Ruppoldingiensis beim Baden gesehen habe. Der Samichlaus spielte Drehorgel, und zwar gerade „Lilly Marlen“ (paßt auch nicht gerade in die Weihnachtszeit.
Es war noch immer nicht dunkel, also wanderte ich noch ein Stück aus der Stadt heraus, ging noch mal über den Markt, als ich sah, daß sich etliche Menschen in Richtung Festung begaben. Hier war ein Basar. Wobei mich der Basar selbst weniger interessierte, wohl aber die Ausstellung, die von Insassen der in der Festung untergebrachten Jugendstrafanstalt angefertigt wurden. In den alten Gemäuern sind schon seit Jahrhunderten Verbrecher untergebracht, zeitweilig hieß die Einrichtung „Anstalt für schwer erziehbare Jugendliche und Taugenichtse“. Die Treppen und Wege innerhalb der Festung waren angenehme barfuß begehbar. Sowohl Barfüßigkeit, als auch das Tragen von kurzen Hosen sind für mich ein Symbol der Freiheit, die den Insassen dieses Jugendknastes (in den meisten Fällen berechtigterweise) genommen wurde. Und auch ein Gedanke kam mir beim Durchschreiten des alten Gemäuers auf. Auf die Festung Aarburg ist im Grunde genommen ein KULTURGUT, und (anders als im berühmteren Kulturgut Schloß Chillon) hinderte mich niemand daran, es barfuß zu betreten. Liegt es daran, daß man in Aarburg an keiner arroganten Tante vorbei mußte, die Eintritt verlangte? Liegt es daran, daß Aarburg im überwiegend reformierten Aargau liegt, Schloß Chillon im eher katholischen Waadtland? Liegt es daran, daß Aarburg in der Deutschschweiz liegt, Schloß Chillon in der französischsprachigen Schweiz? Ist ja auch egal. Durch eine Maueröffnung beim Brunnen sah ich, daß die Vorbereitungen für das “Kerzenschippern” im vollen Gange war. Also verließ ich die Festung und begab mich zur Aare.
Es war wirklich interessant, wie die Kerzenschiffchen schwammen. Da hier die Aare einen Winkel um 90° nach links macht, fließt der Fluß am rechten Ufer ein Stück rückwärts. So auch die Schiffchen. Sie schwammen im Kreis, und keines fand den Weg in Richtung Olten. Ich hörte einen Jungen sagen: „Der Mann ist barfuß und hat kurze Hosen, friert der nicht?“ Die Mutter: „Der läuft immer so rum!“ Ein Knabe fragte mich: „Ist es nicht kalt?“ Ich verneinte. Dann fragte er: „Bist du die Rettungswacht?“ Ich verneinte ebenfalls. Dann hörte ich noch ein altes Ehepaar sagen: „Der ist aber abgehärtet! Ich friere schon, wenn ich das sehe.“
Ich ging noch einmal über den Markt und begab mich dann zum Velo. Auf der Fahrt zurück nach Zofingen spürte ich die Kälte in den Füßen.
Zitat von Michael aus ZofingenLiegt es daran, daß Aarburg im überwiegend reformierten Aargau liegt, Schloß Chillon im eher katholischen Waadtland? Liegt es daran, daß Aarburg in der Deutschschweiz liegt, Schloß Chillon in der französischsprachigen Schweiz?
Hi Michael,
soweit ich weiß, ist das Waadtland überwiegend evangelisch- reformiert. Ich gestehe zwar, daß ich über die Mentalitätsunterschiede zwischen der Deutschschweiz und der Romandie nicht genau Bescheid weiß, aber ich hätte die Romandie und speziell die Umgebung des Genfer Sees spontan für weltoffener und toleranter gehalten.
Zitat von Michael aus ZofingenIch hörte einen Jungen sagen: „Der Mann ist barfuß und hat kurze Hosen, friert der nicht?“ Die Mutter: „Der läuft immer so rum!“ Ein Knabe fragte mich: „Ist es nicht kalt?“ Ich verneinte. Dann fragte er: „Bist du die Rettungswacht?“ Ich verneinte ebenfalls. Dann hörte ich noch ein altes Ehepaar sagen: „Der ist aber abgehärtet! Ich friere schon, wenn ich das sehe.“
Offensichtlich hat die Mutter des Knaben Dich bereits irgendwo gesehen, vielleicht sogar mehrere Male. Die Bemerkung, daß jemand "schon vom Hinsehen friert", höre ich im Spätherbst und Winter ebenfalls gelegentlich.
Zitat von Michael aus ZofingenLiegt es daran, daß Aarburg im überwiegend reformierten Aargau liegt, Schloß Chillon im eher katholischen Waadtland? Liegt es daran, daß Aarburg in der Deutschschweiz liegt, Schloß Chillon in der französischsprachigen Schweiz?
Hi Michael,
soweit ich weiß, ist das Waadtland überwiegend evangelisch- reformiert. Ich gestehe zwar, daß ich über die Mentalitätsunterschiede zwischen der Deutschschweiz und der Romandie nicht genau Bescheid weiß, aber ich hätte die Romandie und speziell die Umgebung des Genfer Sees spontan für weltoffener und toleranter gehalten.
Hallo Michael und Markus
Ich denke nicht, dass es an der Konfession oder der Sprachregion lag, dass Michael in Chillon nicht ins Schloss gelassen wurde. Ich hatte schon in Oranienburg, vor den Toren Berlins und das ehemalige KZ Sachsenhausen beherbegend, Probleme ins Schloss zu kommen. Genauer gesagt, es wurde mir barfüssig verwehrt und Schuhe trage ich sicher keine mit. Und im neuen Palais in Potsdam wurde ich gar angegangen weil ich barfuss in den Filzlatschen steckte. Die sich jeder überstreifen musste, was ich ohne Schwierigkeiten akzeptieren kann. Immerhin war es nur eine einzige Aufseherin die eine blöde Bemerkung machte. Für alle anderen war es ok. Ich denke es liegt individuell bei den einzelnen Menschen die einen Barfüsser sehen wie sie reagieren. Unabhängig Religion, Region. Es gibt überall tolerante und eben andere Leute.
Jo, es gibt überall Ignoranten, und auch tolerante Leute. Und Ihr wisst ja, wem man etwas Macht gibt, der nutzt sie meistens auch aus. Ich war schon BF in Kirchen, Moscheen, Schlössern und Burgen. Selbst in Dachau wurde ich ohne Schuhe rein gelassen. Dafür hab ich schon in Hotels und Restaurants Probs gehabt. Meist ist es nicht mal das BF, sondern der Machtperson gefällt einfach das Gesicht der betreffenden Person nicht. Ihr kennt das ja, manche Menschen sind einem einfach von Anfang an unsympatisch. Und dann sucht man halt nen Grund für den Nichteinlass.
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