Am vergangenen Samstag war ich wieder einmal mit einer Tageskarte unterwegs, mit der ich den ganzen Tag die öffentlichen Verkehrsmittel in der Schweiz benutzen durfte.
Ich radelte zum Bahnhof, barfuß, in kurzen Hosen, aber noch mit Jacke, da es noch recht frisch war. Um 5.14 Uhr verließ der Zug die Wiggermetropole in Richtung Olten. Es gab etliche erstaunte Blicke von jungen Leuten, die vermutlich di Nacht in Luzern verbracht hatten. In Olten wechselte ich in den ICN bis Arth-Goldau. Die Jacke verschwand im Rucksack für den Rest des Tages, als ich im ICN Platz genommen hatte. In Arth-Goldau war es recht kalt auf den Bahnsteig. Aber der Anschlußzug nach Göschenen war ja pünktlich wie alle Züge, die ich an diesem Tag benutzte (hier verkehrt halt nicht die Deutsche Bahn).
In Göschenen bestieg ich die Schmalspurbahn durch die Schöllenenschlucht, die anderen Fahrgäste waren mit Skischuhen und Skianzügen doch deutlich winterlicher gekleidet als ich. In Andermatt war es recht kalt auf dem Bahnsteig, und viele Leute in Skikleidung wollten mit demselben Zug ab 8.27 Uhr Richtung Oberalppaß fahren. In Andermatt begegnete ich zwar diesmal keinen Barfüßer (schönen Gruß an Leo), aber immerhin einen Jüngling in kurzen Hosen (allerdings nicht wie ich im weißen Träger-T-Shirt, sondern in langärmeligem Pulli (und mit Schuhen – und mit Socken – und mit Baseballmütze). Dieser Jüngling blieb ebenso im Zug sitzen wie ich, während fast alle anderen den Zug auf der Paßhöhe verließen und die verschneiten Wege in Richtung Skipiste gingen.
In Sedrun bestieg ebenfalls ein Jüngling in kurzen Hosen (und auch ansonsten ähnlicher Aufmachung den Zug, ging aber in einen anderen Wagen. In Disentis endete der Zug, und durch eine Tür verließen 3 Kurzhösler, die sich vorher nie begegnet waren, den Zug. Da hier durch diese Tür lediglich ein Langhösler den Zug verließ, waren die Kurzhösler in der Überzahl.
In Reichenau mußte ich wieder umsteigen, hier war es angenehm warm. Dann fuhr ich weiter über Thusis die reizvolle Albulastrecke bis Samedan, erstmalig in meinem Leben. Zum Glück war der Zug nicht voll, und andauernd wechselte ich von einer Zugseite auf die andere. In Samedan lagen noch Schneereste, aber kalt war es hier nicht. Ich fuhr weiter nach Pontresina, um um 13.94 Uhr weiter nach Tirano zu fahren.
Diese Strecke ist sehr reizvoll. Sie führte durch malerische Schneelandschaften und wurde auch von Skifahrern benutzt. Als zwei Deutsche mich in so nicht-winterlicher Kleidung sahen, sprach einer zum anderen: „Hier prallen Welten aufeinander!“ Ich erreichte um 15.12 das italienische Tirano, durch das der Zug wie ein Tram verkehrt. Hier hatte ich 18 Minuten Zeit, bis der Zug zurückfuhr.
In Tirano sah ich trotz der Wärme (es fiel mir schwer, das T-Shirt anzubehalten, aber in italienischen Städten kann man für den Aufenthalt ohne Oberbekleidung gebüßt werden, ähnlich wie im Appenzellerland für ganz ohne) lediglich ein paar Radrennfahrer in kurzen Hosen, barfuß war keiner. Umso mehr lästerten Jugendliche über meine Aufmachung und ältere „Damen“ sahen mich fassungslos an. Aber die Polizei, die zufällig in der Nähe war, unternahm nichts.
Zurück ging es nach Pontresina. Während ich auf den Zug nach Scuol wartete, fragte mich ein Jugendlicher, ob es nicht zu kalt sei. Als ich sagte, daß alles Gewöhnungssache sei, meinte er: „Mir wäre es bereits ohne Jacke zu kalt!“ Darauf ich: „Wenn es kälter wird, werde ich auch als erstes eine Jacke anziehen und nicht etwa Schuhe.“
Ich fuhr nach Scuol und dann nach Klosters. In diesem Zug saßen zeitweilig eine Mutter mit zwei kurzhosigen (aber beschuhten und besockten) Knaben, sie sprachen rätoromanisch miteinander. In Klosters war es doch deutlich kühler, als ich den Zug nach Landquart bestieg. An den Zwischenstationen stiegen etliche junge Leute in den Zug, in Küblis auch ein junger Mann in mehr oder weniger kurzen Hosen, aber mit langer Oberbekleidung (und Schuhen – und Mütze). Dieser war in Begleitung mit ebenso jungen Damen in „eleganter“ Diskokleidung. Die meisten wollten wohl die Nacht in Chur durchfeiern, zumindest stiegen sie in Landquart in den Zug nach Chur, nicht wie ich nach Zürich.
Auch in diesen Zug stiegen viele junge Leute etwa ab Sargans ein mit dem Ziel Zürich. Einige der jungen Damen trugen schon recht sommerliche Oberbekleidung (unter der Winterjacke), auch trugen viele kurze Röcke in Kombination mit Nylons. Aber auch enge Leggings und hochhackige Schuhe waren keine Seltenheit. Einige wenige Damen gönnten ihren Füßen etwas Frischluft, in dem sie Römersandalen ohne Socken trugen. Was heute alles Mode ist! Da bleibe ich doch bei dem altbewährten. Daß am Zürcher Hauptbahnhof einige über meine „spezielle“ Kleidung lästerten mit Worten „Wie im Sommer!“, störte mich nicht.
Ich fuhr weiter nach Lenzburg, stieg dort um in die Nationalbahn und fuhr nach Zofingen, wo ich um 00.08 Uhr ankam. Ich hatte keine Lust, noch eine Jacke überzuziehen, also radelte ich ohne.
Ein schöner Samstag, überwiegend in Offtopic-Fahrzeugen der Rhätischen Bahn, ging zu Ende, und das bei enormen Unterschieden im Wettercharakter. Ich war barfuß und kurzhosig, was will ich mehr! So! Jetzt kann ich die Fahrplanausdrucke endlich dem Altpapier übergeben (ohne die hätte ich die Abfahrten nicht mehr gewußt).
Schöne Grüße
Michael aus Zofingen