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#1

10 Jahre Schweizer Staatsbürgerschaft

in Barfuß und Leben 23.03.2015 05:10
von Michael aus Zofingen | 753 Beiträge | 428 Punkte

Hallo,

seit gut 26 Jahren lebe ich nur in Zofingen (Kanton Aargau) in der Schweiz. Und vor ca. 10 Jahren (genau: am 4.4.2005) habe ich dann nach dem üblichen Einbürgerungsprozedere die Schweizer Staatsbürgerschaft erhalten (womit damals automatisch meine deutsche Staatsbürgerschaft erlosch). Auch in der Schweiz sind Reisepässe und Identitätskarten nur 10 Jahre gültig, so daß ich mich um neue Ausweise bemühen mußte. Am letzten Mittwoch (18.3.2015) um 10 Uhr hatte ich einen Termin beim Paß- und Patentamt in Aarau, denn nur dort konnte ich einen biometrischen Reisepaß erhalten (und als Kombiangebot Paß und Identitätskarte gleichzeitig).

Für diesen Tag hatte ich freigenommen. Es war schönes Wetter, den ganzen Tag sonnig, und es sollte der bisher wärmste Tag im Jahr 2015 werden (zumindest hier). Zwar liegt das Paßamt direkt am Aarauer Bahnhof und ist somit offtopicfahrzeugmäßig gut erreichbar, jedoch bevorzugte ich bei diesem Wetter das Velo. Da dort auch ein Paßfoto aufgenommen werden sollte, zog ich mir kein T-Shirt an, sondern ein hellblaues Oberhemd, OHNE Krawatte. Eine Mütze trug ich auch nicht, denn diese hätte ich fürs Foto abnehmen müssen (so ganz „nebenbei“ bin ich ein militanter Wederhutnochmützenträger). Da auf dem Paßfoto jedoch die unteren Körperpartien nicht sichtbar sind, genügte dort weniger formale Kleidung, nämlich eine kurze Jeanshose, die die Bezeichnung kurz auch VERDIENT (MIT Gürtel), und auf Schuhe verzichtete ich ganz und gar, das ist ECHT wahr. Da ich nicht mit „brasilianischen Verhältnissen“ rechnete, wo ANGEBLICH (selber erlebt habe ich es nicht) Männer in kurzen Hosen sogar bei 30°C nicht in Behörden gelassen werden (Frauen in bedeckungsarmen Kleidchen oder Miniröcken dagegen schon – zumindest junge Frauen, bei über 80-jährigen bin ich mir nicht so sicher), ging ich dieses Restrisiko ein.

Ich radelte über Kölliken und Suhr in Richtung Aarau, weitestgehend über separate Velowege. Barfüßer begegneten mir nicht, wohl aber einige Joggerinnen in kurzen Sporthosen sowie Jogger in unlangen Sporthosen. Mein Velo stellte ich auf dem Parkdeck des Bahnhofs ab, von wo es nur wenige Schritte zum Paßamt sind. Das Gebäude war nicht betürstehert, also eine Hürde weniger! Im Parterre warteten ca. 8 Leute vor mir am Schalter, die ebenso wie ich neue Papiere haben wollten. Niemand von den Leuten störte sich an meiner Aufmachung, alle redeten Schweizerdeutsch miteinander und sahen auch so aus, daß sie keinerlei fremdländische Wurzeln hatten (meinen „preußischen“ Migrationshintergrund sieht man mir ja auch nicht an, aber man hört ihn, wenn ich rede). Da mehrere Schalter besetzt waren, kam ich ziemlich schnell dran. Auch die Dame am Schalter machte mir keine Schwierigkeiten; ihr schien es nur wichtig zu sein, daß ich bezahlte (typisch Schweiz), und sie blieb höflich (nicht ganz so typisch Schweiz). Das ganze hatte einen fast schon automatisieren Charakter, so daß die Bünzligkeit auf der Strecke blieb, ja bleiben mußte. Dann wurde ich in den 1. Stock geschickt, wie alle anderen auch.

Dort waren Kabinen mit roten Lampen. Wenn jemand rauskam, leuchtete eine grüne Lampe, und der nächste durfte rein. Auch vor den Kabinen eine eher entspannte Atmosphäre, nicht erinnerte an eine Behörde. Schließlich betrat ich eine Kabine, an deren Rückseite eine Glasscheibe war, hinter der ebenfalls eine Dame saß. Auch diese schien meine Aufmachung nicht zu stören. Hinter der Scheibe führte sie am Computer alles aus, was zur Herstellung des Passes nötig ist, alles moderne Technik. Erst wurde ich fotografiert, dann mußte ich beide Zeigefinger auf eine Glasplatte legen. Aber nur die Zeigefinger. Ich rechnete nicht damit, daß ich als Barfüßer noch von 2 Zehen einen Abdruck hinterlassen mußte (keinen „2zeh-Abdruck“, das wäre ganz etwas anderes!). Der Grund: Ich hatte für 2 Finger bezahlt. Kein Schweizer würde gratis zusätzlich 2 Zehen aufnehmen. Und eine Zurückschicken und neu bezahlen wäre zu riskant gewesen und hätte die automatisierten Abläufe total durcheinander gebracht.

Nach ca. 20 Minuten hatte ich alles hinter mir, um 158 SFR ärmer, und die alten Ausweise durchlöchert. Ich ging zum Velo, radelte in Richtung Aare und folgte weitestgehend Velowegen bis zu einem mir wohlbekannten Uferplatz. In Olten fuhr ich an einer Gruppe ALBERNER weiblicher Teenager vorbei. Alle waren fett beschuht und belanghost, jedoch bedeckungsarme Oberbekleidung (vermutlich waren sie so „mutig“, daß sie erstmalig in diesem Jahr etwas Leichteres trugen). Aus Ratinger Sichtweise waren sie aber nur „unecht“ obenrum leicht bekleidet, ihre Pullover hatten sie um die Hüften geknotet. Mindestens zwei der Mädeltz trugen sogar fette Wollmützen auf dem Grind. Die Kommentare der Gören zu meiner Barfüßigkeit/Kurzhosigkeit kann man mit „Kicher, glotter, gacker, schnatter, gurr, schnurr!“ zusammenfassen. Über meinen Aufenthalt an der Aare möchte ich nichts schreiben, da nicht forum-konform.

Am letzten Samstag konnte ich einen eingeschriebenen Brief mit dem neuen Reisepaß (die Identitätskarte kommt mit separater Post) am Zofinger Postamt abholen (auch barfuß und bekurzhost). Ich bekam den Brief trotz entwerteten alten Ausweisen ohne Komplikation. Ein echter Füdlibürger mit Beamtenmentalität hätte einen entwerteten Ausweis nicht anerkannt und die Ausgabe des neuen Ausweises verweigert. Aber nicht jeder Bedienstete in einem staatlichen oder quasistaatlichen Betrieb ist kleinkariert, nicht einmal in der ehemaligen „Berner Untertanenstadt“ Zofingen.


Schöne Grüße

Michael aus Zofingen



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