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Hobby-Barfuß-Renaissance-Forum

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Dieses Thema hat 9 Antworten
und wurde 966 mal aufgerufen
 Reiseberichte
Michael aus Zofingen Offline



Beiträge: 747
Punkte: 418

06.01.2019 09:52
Rückkehr aus Ascona Zitat · Antworten

Hallo,

am Sonntag, den 30. Dezember 2018 war ich barfuß und in kurzen Hosen mit schienengebundenen Offtopic-Fahrzeugen ins Tessin gereist. Es war tagsüber recht mild, so daß im Strandbad einige Leute barfuß waren. Nun war die Sonne untergegangen, und ich hatte noch gut 2 Stunden bis zur Abfahrt meines Zuges vom Bahnhof Locarno. Also begab ich mich zunächst über Quartiersstraßen in Richtung Ortskern, um den historischen Borgo von Ascona zu besichtigen. Die Temperatur sank nach Untergang der Sonne ziemlich schnell, so daß etliche Kinder bereits Mützen trugen. Auch ich mußte mein Jacke anziehen, als ich die Seepromenade erreichte, da es wehte. Langsam wurde es dunkler, nur die wenigen Schleierwolken leuchteten rötlich am Himmel.

Auf der Seepromenade waren deutlich weniger Leute als noch am sonnigen Nachmittag. Da fiel ein Velofahrer, der auf der Schulter zwei barfüßige Katzen transportierte und bestimmt mit 20 km/h über das Pflaster holperte, schon auf. Die Bodenbeschaffenheit der verwinkelten Gassen im Städtchen ist unterschiedlich. Vielfach gibt es Kopfsteinpflaster, jedoch liegen vielfach Steinplatten in der Wegmitte als „Überholstrecke“. In einer Gasse fiel mir die besonders weihnachtliche Ausstattung besonders auf, mit kreisenden farbigen Lichtern, die auf der Straße farbige Punkte erzeugten. Ich ging auch in die Kirche Santi Pietro e Paolo, in der eine Weihnachtskrippe aufgestellt war. Die aufgestellten Figuren (Menschen und Tiere) waren fast ausschließlich barfuß. Nebenbei fiel mir auf, daß alle Schafe weiß waren, die schwarzen wurden wohl rausgekickt.

Reaktionen von Personen zu meiner nicht gerade winterlichen Aufmachung gab es kaum, höchstens von Kindern. Umso erstaunter war ich, als plötzlich in der weihnachtlich geschmückten Hauptgasse, die für den normalen 4radverkehr gesperrt ist, plötzlich ein Polizeifahrzeug entgegenkam, anhielt und meine Papiere sehen wollten. Einer von den Beamten konnte deutsch, und ich muß sagen, daß sie sich höflich verhalten hatten. Trotzdem fand ich es bedenklich, daß die Kontrolle ca. eine halbe Stunde gedauert hat. Ich wurde gefragt, woher ich kam, was ich in Ascona wollte usw. Ich gab Auskunft, obwohl es die Beamten einen feuchten Kehricht angeht (schließlich bin ich kein Strafgefangener und darf mich im öffentlichen Raum überall aufhalten, wo ich es will). Nur wenn ich das gesagt hätte, hätte das Ganze noch länger gedauert. Der eine Beamte hat wohl mit verschiedenen Dienststellen telefonieren müssen, während ich ruhig neben einem Restauranteingang stand. Dann mußte ein Polizist das Auto etwas näher ans Haus fahren, weil ein Taxi durchwollte. Und ich hatte nun Gelegenheit, die Passanten zu beobachten.

Die meisten Passanten gingen einfach so vorbei. Manche schüttelten nur den Kopf, wobei ich nicht sagen konnte, ob es meiner Aufmachung galt oder dem Verhalten der Polizei. Ein Jogger kam auf mich zu und sagte zu dem Polizisten: „Das ist Herr … aus Zofingen! Der läuft immer so rum.“ Erst jetzt erkannte ich ihn. Es war der Schwager der Sekretärin, dem ich schon öfters mit dem Velo begegnet bin. Er trägt beim Velofahren grundsätzlich einen Helm, nun aber trug er eine enganliegende Mütze, so daß seine Silhouette ganz anders aussah. Auch vernahm ich einen schweizerdeutschen Kommentar: „Die Polizei in Ascona scheint wohl unterbeschäftigt zu sein!“

Während der eine Beamte telefonierte, unterhielt sich der andere mit einem Zivilsten, der zufällig vorbeikam, auf Italienisch. Während dieser Zeit sprach ein Anzugträger zu seiner gut gekleideten Frau mit aufgedunsenem Gesicht auf Hochdeutsch: „Hoffentlich nimmt die Polizei ihn mit. Mich regt es maßlos auf, wenn sich in diesem vornehmen Ort Männer in kurzen Hosen aufhalten. Das ist asozial. Und nun muß ich mir auch noch im Winter so etwas bieten lassen, und dann noch ohne Schuhe!“ Beim Restauranteingang stand ein Tisch, an dem zwei junge Männer saßen, rief einer dem vornehmen Paar zu (auf Hochdeutsch mit schweizerdeutschen Akzent): „Dann fahren Sie doch in den vorderen Orient in die Ferien. Dort sind kurze Hosen verboten. Geld genug haben Sie ja, soweit ich ihre Kleidung richtig interpretiere. Allerdings dürfen Frauen dort auch keine Hotpants und Miniröcke tragen, dafür ein Kopftuch!“ Angewidert gingen die beiden weiter. Darauf flüsterte der andere junge Mann am Tisch auf Schweizerdeutsch: „Der Alten würde eine Burka ausgezeichnet stehen, die ist hier im Tessin aber leider verboten.“

So verging die Zeit der Kontrolle. Zum Schluß sagte der eine Beamte, daß mich eine Frau zuerst in Locarno gesehen hatte, dann in Losone, dann in Ascona und später wieder in Ascona gesehen hatte. Mir ist keine Frau aufgefallen, vielleicht saß sie im Auto. Ist sie mir zufällig so oft begegnet? Oder ist sie sogar hinter mir hergefahren? Vielleicht hat sich die Frau ja tatsächlich Sorgen um mich gemacht (wobei es wirklich nicht zu kalt für barfuß und kurze Hosen war bei +15°C tagsüber). Oder hatte die Frau generell eine Abneigung gegen meine Aufmachung und hat der Polizei lediglich vorgetäuscht, daß sie sich Sorgen machte. Ich werde es wohl nie erfahren.

Endlich konnte ich gehen. Ich schritt durch die Hauptgasse in Richtung Friedhof, um dann den Weg Richtung Locarno einschlug, wobei ich der Veloroute über die Maggiabrücke folgte. Auf der Brücke spürte ich einen etwas wärmeren Wind aus Norden. Bald erreichte ich die Ausläufer von Locarno, unterquerte die Autostraße bei den Resten des Schlosses. Hier kam mir ein Polizeifahrzeug entgegen, hielt aber nicht an. Ob es Zufall war. Oder war es dasselbe? Sollte überprüft werden, ob ich tatsächlich nach Locarno ging? In der Fußgängerzone von Locarno waren recht viele Leute unterwegs, besonders auf der Piazza Grande, wo eine Eisbahn und sonstige Buden aufgestellt waren. Hier konnte ich über grünen Teppichboden auf Holzplanken gehen statt über das rubbelige Pflaster der Piazza Grande (die Gleisreste der früheren Straßenbahn, die vielleicht wieder einmal fährt, waren mit Buden überbaut) oder die Trottoirs mit Steinplatten.

So erreichte ich den Bahnhof von Locarno (bereits auf Gemeindegebiet von Muralto), etwa zehn Minuten zu früh. Wenn die Kontrolle nicht gewesen wäre, hätte ich noch Zeit gehabt, barfuß durch diverse Gassen der Altstadt von Locarno zu gehen. Zurück fuhr ich mit der S-Bahn nach Bellinzona, dann mit einem Zug durch den Gotthard-Basistunnel nach Arth-Goldau und dann weiter nach Zofingen mit Umsteigen in Luzern. Probleme wegen meiner Aufmachung bekam ich keine mehr.

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen


Dieter (Bochum) Offline




Beiträge: 1.367
Punkte: 4

06.01.2019 10:59
#2 RE: Rückkehr aus Ascona Zitat · Antworten

Die Schweiz hat unzählige kleine Ortschaften. Bei uns in Deutschland gibt es viel weniger, dafür aber meist sehr viel größere Ortschaften.


Lebenskünstler Offline

Admin


Beiträge: 1.313
Punkte: 641

06.01.2019 12:13
#3 RE: Rückkehr aus Ascona Zitat · Antworten

Danke Michael für den sehr lebendigen Bericht.

Locarno ein vornehmer Ort, so so... das war wohl eine von den Neureichen, die meinen alles müsse nach ihrer Pfeife tanzen?

Wir waren 2017 öfters im Tessin, und auch mindestens zwei Mal in Locarno. Ebenso im Frühjahr 2018.
Wer uns kennt, wes dass wir auch immer sehr leger gekleidet sind, auf mich passt wohl am ehesten die Bezeichnung "im Gammellook".

Angesprochen wurden wir niemals, schon gar nicht abfällig. Weder auf der Strasse noch im Schnellrestaurant in der Nähe des Bahnhofes.

Ich vermute, dass es den Beamten tatsächlich einfach nur langweilig war. Denkbar ist auch, dass die Polizei aus Angst vor illegal ins Land reisenden Migranten da etwas übervorsichtig ist. Was natürlich nicht den Kommentar des Dämchens rechtfertigt. (die alten Hasen unter euch wissen sicher mit dem Begriff "Dämchen" etwas anzufangen)

Mir bleibt nur, dir zu wünschen dass solche Erlebnisse für dich nicht zur Tagesordnung werden. Doch so wie du berichtet hast, hast du auch die entsprechende Gelassenheit an den Tag gelegt.

liebe Grüsse
Gabriel


Bleifuß Offline



Beiträge: 248
Punkte: 122

06.01.2019 13:04
#4 RE: Rückkehr aus Ascona Zitat · Antworten

Zitat von Lebenskünstler im Beitrag #3

Locarno ein vornehmer Ort, so so... das war wohl eine von den Neureichen, die meinen alles müsse nach ihrer Pfeife tanzen?



Die sind einfach unsicher und müssen ständig Bestätigung bekommen dass das was sie machen das einzig richtige ist. Und man sie deshalb bewundern oder zumindest respektieren soll. Ein Mann der sich ganz anders kleidet und auch respektiert wird stellt deren Weltbild in Frage. Und sie versuchen sich bei anderen Leuten zu vergewissern, deshalb die laute Äußerung statt es für sich zu behalten.

/B


Bleifuß Offline



Beiträge: 248
Punkte: 122

06.01.2019 13:07
#5 RE: Rückkehr aus Ascona Zitat · Antworten

Zitat von Michael aus Zofingen im Beitrag #1

Ich ging auch in die Kirche Santi Pietro e Paolo, in der eine Weihnachtskrippe aufgestellt war. Die aufgestellten Figuren (Menschen und Tiere) waren fast ausschließlich barfuß. Nebenbei fiel mir auf, daß alle Schafe weiß waren, die schwarzen wurden wohl rausgekickt.



War denn wenigstens einer der Drei Weisen dunkelhäutig? Oder wäre das auch schon zu viel zugemutet den neureichen Besuchern aus der Deutschschweiz?!

/B


Montanara Offline




Beiträge: 578
Punkte: 67

06.01.2019 13:17
#6 RE: Rückkehr aus Ascona Zitat · Antworten

Weisst Du, Michael, denn so genau, ob es in der Kirche SS. Pietro e Paolo früher auch schwarze Schafe bei der Krippe hatte? Und wenn ja, ob man sie wirklich rausgekickt hat?! Oder ob es nicht eher damit zusammenhängt, dass es im Tessin einfach mehr weisse Schafe gibt? Ist es nicht vielmehr generell so, dass Schafe bei Krippen weiss sind?!
Und ja, Neureiche gibt es dort viele, aber warum zum Teufel habe ich denn in Ascona, Locarno, Brissago usw. nie Probleme?! Und dabei sieht man mich dort oft in Wanderkluft, also verschwitzt und schmutzig... Ich weiss, wovon ich schreibe. Denn wir besitzen in der Gegend eine bescheidene eigene Alphütte. Ich bin also WIRKLICH oft dort.

Liebe Grüsse
Dorothea


André Uhres Offline

Admin


Beiträge: 2.181
Punkte: 607

07.01.2019 16:58
#7 RE: Rückkehr aus Ascona Zitat · Antworten

Zitat von Michael aus Zofingen im Beitrag #1
...ich muß sagen, daß sie sich höflich verhalten hatten...


Ob sich die Polizisten wenigstens bei dir dafür bedankt haben, dass du dir soviel Zeit für sie genommen hast, um ihnen ihre Langeweile zu vertreiben? Ob sie sich vielleicht dafür entschuldigt haben, dass sie dir ohne triftigen Grund soviel Zeit gestohlen haben? Bei diesen Leuten gibt es wohl nur Humor, wenn sie über andere lachen können. Die die andere nach dem Äußeren beurteilen sind WIRKLICH die ärmeren.


Michael aus Zofingen Offline



Beiträge: 747
Punkte: 418

08.01.2019 05:31
#8 RE: Rückkehr aus Ascona Zitat · Antworten

Hallo Gabriel,

Du erwähnst "Locarno" als vornehmen Ort. Meine Kontrolle war aber in Ascona. Und der Bahnhof von Locarno liegt in Muralto. Nur wenige hundert Meter weiter beginnt bereits Minusio. In diesem Beitrag ist beschrieben, daß jede Gemeinde ihr eigenes Süppchen kocht und Fusionen nicht selten zum Scheitern verurteilt sind:
https://www.suedostschweiz.ch/zeitung/lo...taedte-im-duell

Von diesen Orten ist Ascona am vornehmsten. Hier sind die teuersten Hotels, und hier lassen sich auch viele "Neureiche" aus der Deutschschweiz und Deutschland nieder. Ich weiß nicht, ob die "vornehmen Leute" (es war übrigens der Mann, der gesprochen hat, nicht das "Dämchen") als Hotelgäste in Ascona waren oder Besitzer (oder Dauermieter) einer Liegenschaft im Tessin sind.

Vielleicht gibt es Bestrebungen, "ärmere" Leute aus dem Ortskern von Ascona zu verbannen und nach Locarno abzudrängen, weil sie dort weniger "stören". Vielleicht will man in Ascona reiche Dauereinwohner (sind bringen Steuern) und reiche Hotelgäste (sie bringen indirekt Steuern, weil die Hotels profitieren) oder wenigstens Tagesgäste, die hier ihr Geld lassen. Leute, die "nur zum Kucken" kommen, sind wohl eher unerwünscht, da sie der Gemeinde keine Einkünfte bringen und möglicherweise durch ihre Aufmachung andere Leute vergraulen (könnten).

Schöne Grüße
Michael aus Zofingen


Lebenskünstler Offline

Admin


Beiträge: 1.313
Punkte: 641

08.01.2019 08:55
#9 RE: Rückkehr aus Ascona Zitat · Antworten

Schande über mich!

Irgendwo hab ich da zwischen den Zeilen Locarno gelesen.. tsss ich werd wohl auch älter, und brauch ne andre Brille.

Richtig, für Ascona mag das zutreffen mit den vornehmen Damen und Herren. Wir sind 2017 im Herbst mit dem Bus ab Locarno nach Ascona, und da an der Promenade spaziert. auch in den Seitenstrassen war klar ersichtlich, welche Zielgruppe sich die Geschäfte anlachen wollten. Allein die Preise... im Gegensatz zu Lugano, das wir uns ein paar Tage vorher ausgiebig angeschaut hatten.

In Lugano gibt es noch eines von den guten Supermarkt-Restaurants, in Locarno immerhin noch die schnelle Küche für auf die Hand oder zum Mitnehmen. Beides sucht man in Ascona vergeblich.

Doch auch von Ascona ist die italienische Grenze nicht fern. Ich will nicht ausschliessen dass öfters mal Flüchtlinge von da aus versuchen weiter nach Norden zu gelangen. Und die passen ja wohl auch nicht nach Ascona.

liebe Grüsse Gabriel


Dieter (Bochum) Offline




Beiträge: 1.367
Punkte: 4

08.01.2019 11:36
#10 RE: Rückkehr aus Ascona Zitat · Antworten

Ascona, Locarno, Lugano:

Die Orte scheinen in der italienischen oder rätoromanischen Schweiz zu liegen.
Werde gleich mal googlen


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